Mittwoch, 3. September 2014
3. Blogeintrag
Wenn ich mir das so anschaue, dann wisst ihr schon ziemlich viel über mich, aber kaum etwas über die Menschen, mit denen ich am meisten zu tun habe und ich komme mir wie ein Muttertöchterchen vor, wenn ich immer schreibe „meine Eltern hier“ und „meine Eltern da“. Ich werde mal versuchen, sie weniger zu erwähnen, was schwierig sein dürfte, da sie einen großen Anteil an meinen Entscheidungen haben und ich eigentlich auch ein ziemlich gutes Verhältnis zu ihnen habe, ach egal. Dann bin ich eben ein Muttertöchterchen.
Eigentlich wollte ich ja auch etwas ganz anderes erklären, einen anderen großen Teil von meinem Leben, meine Clique! In der Schule waren wir eine richtig große Gruppe an Mädchen, die sich übrigens erst in der Oberstufe gefunden hat, davor hab ich gelegentlich ohne Freunde in der eigenen Klasse vor mich hin gedümpelt. Wir waren acht Mädchen, die immer viel miteinander gemacht haben, dann ging die Schule zu Ende und viele gingen weg. Jetzt sind wir nur noch zu viert, aber wir halten zusammen, so gut es geht. Phoebe will jetzt nach dem Ende ihrer Ausbildung zur Vermessungstechnikerin ergänzend dazu etwas studieren, was man hier in der Gegend nicht studieren kann, also fährt sie unter der Woche weg in ihre neue Wohnung etwa zwei Stunden und kommt Freitags wieder nach Hause. Sie würde auch nie ganz weg gehen, wegen ihrer pflegebedürftigen Schwester, um die sich Phoebes Vater mit ihrer Oma allein kümmern muss, seit Phoebes Mutter tot ist. Das war ein großer Schock für uns alle, als Phoebe uns das gesagt hat … wir waren natürlich dann auch allesamt auf der Beerdigung, Frida, ich und … oh, ich hab ihr noch gar keinen Decknamen zugeteilt. Ach Gott, wie nenne ich sie bloß? Wenn ich Etzi M. schreibe vierteilt sie mich. Das ist nämlich ihr Spitzname, sollte sie mal eine Karriere als DJ oder Hiphopperin einschlagen wollen. Ich weiß nicht, wie sie auf diesen Namen gekommen sind … ich glaube stark, dass es Fridas Idee war, aber ich persönlich war leider nicht dabei. Nein, ich denke, ich werde sie Emma nennen, sie ist nämlich … wie drücke ich das vorsichtig aus? Ein klein bisschen Fan von Emma Watson. Mit dem Riesenposter, dem Kalender und dem Zeitumkehrer … wobei ich ihr letzteres selbst mal zum Geburtstag geschenkt habe, sie hat sich mächtig gefreut, da war ich stolz.
Also das sind wir Frida, Phoebe, Emma und ich. Wir sind eine Clique.

So jetzt muss ich etwas weiter ausholen und das wird ein abrupter Themenwechsel. Gestern Abend habe ich lange vorm Computer gesessen und nebenbei eine Dokumentation geguckt – über den zweiten Weltkrieg und die Rolle der Frau bei dem Ganzen. Das war der Abend, an dem ich auch die Jobbörse bemüht habe, mir mal aufzuzählen, was für Ausbildungsstellen es hier in der Umgebung gibt, die ich euch ja schon aufgezählt habe. Heute Morgen hat mein Wecker wie üblich um 10 geklingelt, damit ich aus dem Bett komme, weil ich jemand bin, der Schwierigkeiten hat einzuschlafen, dafür aber bis in die Puppen pennt, wenn man mich nicht weckt. Dummerweise war ich noch so müde, dass ich den Wecker ausgestellt habe und mich für fünf Minuten wieder hingelegt hab – als ich dann um halb eins aufstand, waren meine Eltern leicht verstimmt. Zum Mittagessen gibt es heute, was sich jeder selber macht und so bin ich wieder hoch, hab etwas an dem Blog hier geschrieben und hab mir dann die Haare gefärbt, den Ansatz konnte ich nämlich nicht mehr mit ansehen. Frisch mit Frischhaltefolie umwickelt bin ich dann wieder runter gegangen, um mir vielleicht schon mal was zu essen zu machen. Als meine Mutter mich so gesehen hat, ist sie fast explodiert: „Du tickst wohl inzwischen auch nicht mehr richtig. Das einzige, was du noch kannst ist Haare färben!“, sie ist hier im Hause immer diejenige, die rumschreit, wenn ihr was nicht passt. Auf ihre nicht gerade subtile Art hat sie mir dann hier Missfallen ausgedrückt, darüber, dass ich meinen Arsch immer noch nicht hochgekriegt hätte. Sie mag es nicht, wenn ich lange schlafe – weswegen ich mir ja auch immer artig den Wecker stelle, was heute aber leider nichts genutzt hat – dann ist der Geschirrspüler seit Stunden fertig, und es ist meine Aufgabe den auszuräumen, und das Badezimmer, dass ich diese Woche saubermachen sollte, sehe ihrer Meinung nach so aus, als hätte ich nicht einen Handschlag getan. Ich hab das mal einfach über mich ergehen lassen. Erklärungen oder Proteste machen alles nur schlimmer. Wenn ich gesagt hätte, dass ich mir jetzt die Jobbörse angesehen habe, hätte sie vermutlich etwas gesagt wie „Und jetzt soll ich mich wahrscheinlich auch noch darüber freuen, dass du das endlich gemacht hast, was? Das hättest du schon vor zwei Monaten tun sollen“, etc. Mein Vater, der in der Mittagspause auch da unten rumgewuselt ist, hat dann gesagt, er würde sich auch freuen, wenn ich endlich mal eine Sache für mich finden und sie zu Ende bringen würde. Ich sag euch, ich freue mich auf den 24ten, wenn die beiden in Urlaub fahren und ich wieder etwas Zeit für mich habe, und das obwohl ich gerade mal die zweite Woche wieder hier bin, seit ich mit Emma und Phoebe in den Niederlanden einen Bungalow für eine Woche bewohnt habe.
Ich würde echt gerne ausziehen und mein eigener Herr sein, aber ohne Geld ist das schlecht. Das ist ja mein anderes Problem, was die beiden überhaupt erst so bockig macht – das ich keinen Beruf habe, dass ich für mein Studium nicht lerne und ganz nebenbei soll ich auch noch abnehmen. „So kann das nicht ewig weitergehen. Wenn du von allem nur das Beste willst. Mann, kann im Leben nicht immer nur das machen, was einem Spaß macht. Genauso wenig, wie man immer nur das essen kann, was man am liebsten mag, das Ergebnis sehen wir ja hier vor uns“, und damit meint meine Mutter mich oder besser meine Ausmaße. Im Übrigen ist es auf der Jobsuche nicht gerade förderlich, wenn man ein kleines bisschen übergewichtig ist. Dummer Weise bin ich die Art Person, die ihren Frust in sich rein frisst und davon habe ich gerade wegen euch bestens bekannter Gründe eine ganze Menge. Ein Teufelskreis.
Ich hatte dieses Jahr 14 kg abgenommen, 8 kg davon waren wieder drauf, als ich aus dem Urlaub zurückkam – seit dem habe ich wieder rasch abgenommen. Von den 14 abgenommenen Kilos sind jetzt nur noch 4 zum wieder abnehmen übrig. Grundsätzlich eigentlich kein schlechtes Ergebnis, möchte ich meinen, aber in den Augen meiner Eltern nehme ich gerade in gewaltigem Ausmaß zu. Ich frage mich echt, wie das hier alles weitergehen soll. Ich denke, ich werde heute mal wieder meine Möbel umstellen, also in meinem Zimmer anders anordnen, damit sich ein neues Raumgefühl ergibt. Ich weiß auch schon, wie das aussehen soll. In einem neuen Zimmer mit neuer Motivation werde ich dann mal mein Buch weiter überarbeiten. 86 Seiten habe ich schon korrekturgelesen 400 Seiten fehlen noch, es sollte eigentlich fertig sein, wenn ich eine Antwort von den Verlagen bekomme, aber Lesen ist ja nicht so sehr meine Stärke. Den Satzbau überarbeiten, teilweise auch inhaltliche Korrekturen vornehmen und vor allen Dingen Rechtschreib- und Grammatikfehler verbessern. Wenn ich einmal durch bin, werde ich mein Buch am besten binden lassen, und es noch einmal wem anders zum Lesen geben – so dass die Person alle Fehler rot anstreichen kann, dann bessere ich das noch mal aus und dann könnte es veröffentlicht werden – wenn ich ein Cover für das Buch hätte, was ich nicht habe.
So oder so, ich werde dieses verdammte Buch dieses Jahr noch auf den Markt werfen und damit „endlich einmal was zu Ende bringen“
Jede Wette, dass ich mir noch mal was anhören kann, wenn ich meine Möbel gleich umstelle. Es ist nun mal ein Hobby von mir, das aus meiner Sicht auch nur Vorteile hat: es ist praktisch wie Sport, wenn ich mein Ecksofa und meinen Schreibtisch von A nach B schiebe, dabei verbrenne ich Kalorien, danach sieht alles ungewohnt und neu aus, als wäre ich tatsächlich woanders, nur das es meinst ist. In einer neuen Umgebung zu sein, gibt mir ein gutes Gefühl und neue Energie, etwas, was meine Mutter nie verstehen wird. Außerdem macht es mich einfach glücklich, wenn ich mit eigenen Händen etwas zum Besseren verändert habe.
Ich hatte recht, dass meine Eltern das nicht gerne sehen würden heute, dass ich mein Zimmer umräume, statt Bewerbungen für Ausbildungsstellen zu schreiben, die ich eh nicht haben will. Ich verstehe sie ja, sie wollen, dass ich etwas aus mir mache, dass ich nicht nur so vor mich hin vegetiere, mein eigenes Geld verdiene und mit etwas Sicherheit auf eigenen Beinen stehen kann. Sie würden nie zulassen, dass ich von Beruf Tochter werde – was ich nebenbei bemerkt auch gar nicht will. Ich will nicht ewig von meinen Eltern abhängig sein, aber ich möchte auch nicht eines Tages aufwachen und feststellen, dass ich in einem Alltag gefangen bin, den ich hasse. „Man kann nicht immer nur das tun, was einem Spaß macht“, sagt mein Vater und da hat er bestimmt recht mit. „Das Leben ist kein Ponyhof“, Gott sei Dank, ich kann Pferde nicht ausstehen. Meiner Meinung nach, gibt es schon genug Menschen, die sich selbst unglücklich machen und beruflich Dinge tun, die sie nicht mögen – nicht zuletzt deswegen haben wir ja sicher diese ganzen Burnout-Fälle.
Ist es zu viel verlangt glücklich sein zu wollen? Ein Leben damit zu verbringen, von dem man für sich glaubt, dass es das Richtige für einen ist? Wenn man einen Traum hat, sollte man nicht dafür kämpfen ihn zu erreichen? Die Popkultur sagt uns doch immer „Träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum“. Mein Vater sagt, ich solle endlich in der Wirklichkeit ankommen und das im Leben nicht immer alles so läuft, wie man will. Dass ich nicht immer nur das essen kann, was ich am liebsten mag, sondern auch mal das, was ich eher so nicht mag – damit bezieht er sich auf meine Berufsfindung, ob ihr’s glaubt oder nicht – und ich denk mir dann so, wenn es nur um einmal essen ginge, würde ich es mir rein quälen, aber darum geht es ja nicht. Es geht um Jahre meines Lebens. Ihrer Ansicht nach, kann man mit Schriftstellerei kein Geld verdienen, das könne man nur so nebenher machen oder man müsste schon richtig gut sein – das heißt, dass sie im Grunde nicht daran glauben, dass ich die Fähigkeiten dazu habe.
Ich weiß, sie wollen ja eigentlich nur das Beste für mich, ich soll abnehmen, damit ich gesünder bin und vielleicht auch mal einen Kerl abkriege, ich soll arbeiten, damit ich für mich selbst sorgen kann und sie sich keine Sorgen mehr um mich machen müssen. Aber ich finde es ungerecht, dass sie sich genau über die falschen Dinge sorgen. Ihnen liegt mein körperliches Wohl am Herzen, wesentlich mehr als mein seelisches. Mir hingegen ist es ich will nicht sagen, egal, aber nicht so wichtig ordentlich Geld zu scheffeln, ich bin keine Karrierefrau, ich bin eine Träumerin und das war ich schon immer. Mein Brief aus Hogwarts ist nie gekommen und mein Lottogewinn blieb auch aus, aber Autorin könnte ich tatsächlich werden. Inzwischen verdrehen sie nur noch die Augen, wenn ich meinen Blog oder mein Buch erwähne – als wäre es ein Hirngespinst, zu denken, ich könnte tatsächlich irgendwann davon leben zu schreiben.
Ich habe heute, nur damit sie aufhören mich zu nerven, das Ersteinschreibungsformular für die Universität hier in der Gegend (etwa eine Stunde mit dem Auto, vermutlich ähnlich mit dem Zug) ausgefüllt. Meine Schwester, die ja bei meiner Krankenkasse arbeitet, hat mir den Nachweis auf Krankenversicherung fertig gemacht und eine beglaubigte Kopie meines Zeugnisses habe ich auch noch gehabt. Vermutlich werde ich nun also Geschichte und Philosophie auf Lehramt studieren. Meine Eltern glauben nicht, dass das das Richtige für mich ist – wenn ich ganz ehrlich bin, glaube ich auch nicht zu 100% daran. Ihr wisst, was ich eigentlich möchte, aber solange ein Buchvertrag außer Reichweite scheint, muss ich zumindest so tun, als würde ich mir verantwortungsvoll eine Zukunft aufbauen.
Ich hoffe ein kleines Latinum reicht denen, für das Philosophiestudium … na ja, wir werden sehen. Soviel dazu, man liest sich ;)



Dienstag, 2. September 2014
2. Blogeintrag
Am 16ten September fängt der reguläre Unterricht sprich die Vorlesung an meiner Fachhochschule wieder an, die mir beibringen wollen, wie man Architekt wird. An der Nahen Universität, die ich im letzten Eintrag schon erwähnt habe, könnte ich mich noch bis zum 30ten September bewerben, um auf Lehramt zu studieren. Philosophie, Geschichte oder Sozialwissenschaften würde ich in Erwägung ziehen, aber es gehen nur zwei davon auf einmal, eins als Haupt- und das andere als Nebenfach. Meine Eltern sagen, dass ich das nicht richtig durchdenke und dass ich vermutlich als Lehrerin nicht glücklich werde. Sie haben nicht unrecht … ich hab ein total schlechtes Namensgedächtnis, so schlecht, das glaubt man gar nicht! Meine Mutter holt immer wieder bei solchen Gelegenheiten diesen Spruch raus: „Mama, wie heißt noch mal meine Freundin, mit der ich jeden Tag spiele?“ Zu meiner Verteidigung, ich hatte ihren Namen am Anfang schon nicht richtig verstanden und irgendwann war der Punkt überschritten, an dem man noch mal höflich hätte nachfragen können, wie der gegenüber heißt. Da bleibt nur, das erwähnen von Namen grundsätzlich vermeiden, funktioniert gut.
Das war im Kindergarten damals … ach, so eine schöne Zeit, meine Kindergärtnerin hielt mich für hochbegabt und erzählte meiner Mutter, dass ich manchmal lange am Fenster stehe und mir selbst irgendwelche ausgedachten Geschichten erzähle. Tja, ich hab eben sehr früh mit dem Führen von Selbstgesprächen angefangen, heute ist das nicht mehr süß. Und Geschichten habe ich mir schon immer gern ausgedacht. Von Prinzessinnen und Zauberdrachen … wie mein Vater zu sagen pflegt: „damals war ich ‚klein und süß‘, heute bin ich nur noch ‚und‘“. Das war auch die Zeit, als mein absoluter Traumberuf Hausfrau war und ich mir diese tollen Spielsachen gewünscht habe, eine kleine Waschmaschine, einen kleinen Staubsauger, eine kleine Küche … alles schön zum spielen als Vorbereitung auf das spätere Leben. Traumberuf Hausfrau – witziger Weise wollte ich aber nicht Hausfrau und Mutter sein, sondern einfach nur Hausfrau. Das hab ich mir dann aber auch irgendwann aus dem Kopf geschlagen und als ich schließlich in der Grundschule war und wir als Hausaufgabe einen Aufsatz darüber schreiben sollten, was wir mal werden wollen, beziehungsweise, wo wir uns in zwanzig Jahren sehen, hab ich auf meinen Zettel einen einzigen Satz geschrieben (ich war ja so verdammt faul): „Ich möchte für immer Kind bleiben“ – ich war ein sehr weises Kind. Ich wusste, wie gut ich es habe und dass sich das am besten niemals ändern darf.
Kinder haben schon ein tolles Leben, den ganzen Tag spielen, essen und schlafen! Und man durfte ja im Grunde alles machen, nur hat man das nie genutzt. Ach ja … ich war gern klein und ich wusste meine Schulferien zu schätzen. Wenn ich mal Nichten und Neffen habe, dann bring ich denen bei, ihr Leben als Kinder voll auszuleben und zu genießen, damit sie von ihrer Kindheit auch richtig was haben. Ja, richtig gelesen „Nichten und Neffen“, ich erwarte einfach von meiner Schwester, dass sie unseren Eltern die Enkelkinder schenkt, die sie so gern haben wollen. Ich hätte auch gerne Kinder, die ich mir gelegentlich ausleihen und nur Mist beibringen kann, so wie meine Patentanten und ihre Ehemänner früher. Mann, die haben mir echt nur Stuss beigebracht, mein erster vollständiger Satz war. „Hau weg die Kacke“, glücklicherweise konnte ich das ‚K‘ nicht aussprechen, klang immer mehr wie ein ‚T‘ also „Hau wech die Tatte“, in meiner sehr ausgereiften Sprache. Oder das ich als Kind auf alle Dinge immer mit dem Mittelfinger gezeigt habe, verdanke ich der Tatsache, dass man mir beigebracht hatte, die Hand so zu halten, dass ich den Mittelfinger zeige. Meine Mutter hat immer einen Anfall gekriegt, wenn ich auf etwas gezeigt habe, im Alter von vier oder fünf – Danke an meine lieben Paten an dieser Stelle. Ich weiß, ihr hattet sehr viel Spaß mit mir und rückblickend würde ich das nur zu gerne mit den Kindern von anderen Leuten anstellen.
Ich selbst möchte keine Kinder, aus sehr vielen Gründen. Am besten haue ich mal das Geilste vorweg raus: meine Mutter hat eine sehr schlimme Form der Schuppenflechte. Diese Krankheit ist erblich, also rechne ich damit, dass selbst, sollte ich sie nicht im Laufe meines Lebens bekommen, meine Kinder unter höherer Wahrscheinlichkeit als ich, darunter zu leiden hätten und das würde ich echt niemandem antun wollen. Außerdem finde ich klingen Schwangerschaften wahnsinnig verlockend: Morgenübelkeit, die übrigens nicht zwangsläufig nur morgens ist, sondern auch mal den ganzen Tag vorhalten kann, und das kann so von der fünften bis schlimmstenfalls zur vierzehnten Woche. Na dann, fröhliches Kotzen! Neun Monate lang! Wasser in den Beinen, Rückenschmerzen, Tritte aus dem eigenen Bauch heraus, ganz zu schweigen, von dem Ende der Schwangerschaft, wo du unter furchtbaren Qualen ein fußballgroßen Kopf samt Körber durch ein wallnussgroßes Loch quetschen darfst. Das klingt für mich irgendwie nicht nach einer großen Menge Spaß.
Ich bin kein Monster, wenn ich ein Kind geboren hätte, würde der Rausch von Hormonen mir sagen, dass ich dieses Zerbrechliche etwas in meinen Armen lieben muss und ich würde es tun. Dann müsste ich es mit großer Mühe nicht versehentlich umbringen, seinen A-a weg machen und dafür sorgen, dass es mit Spucke rülpst. Also erträgt man erst mal die erste Zeit, wächst das Baby zu einem nervigen Gör heran, vielleicht wie unser Nachbarskind, dieses Blag schreit jeden Tag. Das Mädchen ist mindestens schon in der Grundschule, aber sie hat einfach Spaß daran zu kreischen, glaube ich. Wenn ich ihre Mutter wäre, würde ich ihr einmal einen gehörigen Grund geben zu schreien und danach macht sie es hoffentlich nie wieder, so. Am meisten aber graut mir vor der schlimmsten Phase der Erziehung, vor dem pubertierenden Teenager, der dieses Baby eines Tages werden wird.
Alles in allem: nö, ich will keine Kinder. Wegen dieser ausgesprochen freundlichen Art, die ich Kindern offensichtlich entgegenbringe, soll angeblich der Beruf des Lehrers für mich nicht geeignet sein, aber ich sag mal so: die Lehrerinnen, die alle Kinder ach so süß finden, können sich eh nicht durchsetzen. Am liebsten mochte ich immer die Lehrer, vor denen alle Kinder Angst hatten, die wurden respektiert und bei denen hat man auch wirklich was gelernt. Andererseits sagt, ich nenne sie mal weiterhin Frida, dass ich mich mal informieren soll, ob wenn ich fertig bin mit dem Studium viele Lehrer für diese Fächer in Rente gehen – bestimmt keine schlechte Idee. Ich frag mal beim Arbeitsamt. Meine Schwester meint (ihr Freund studiert auch auf Lehramt), dass Lehrer, die keine Hauptfächer unterrichten, keine Stellen kriegen, ich hab mir aber nur „Nebenfächer“ ausgesucht. Obwohl ich zum Beispiel Sozialwissenschaften als Leistungskurs im Abitur hatte und es Leute gab, die Geschichte als Leistungskurs hatten. Frida hat auch mal überlegt, ob sie Lehramt studiert, ihre Fächer wären Französisch und Spanisch gewesen – eine recht seltene Fächerkombination. Aber Frida hat eine Ausbildung gefunden.
Sie würde gern Frida heißen, hat sie gesagt, ich finde den Namen altbacken. Ich glaube, eine Freundin meiner Oma hieß mal so. ich würde mein ohnehin nie existierendes Kind niemals Frida nennen, genauso wenig wie Irmgard oder Wilma. Aber diese abgedrehten Namen, die die Stars ihren Kindern gebe würde ich auch nie nehmen … manche Leute sollten auch einfach keine Kinder kriegen. Wahrscheinlich verdummt die Menschheit nach und nach, weil die intelligenten Menschen sich nicht fortpflanzen und die Trottel vermehren sich wie die Karnickel. Zumindest habe ich manchmal das Gefühl. Na ja … das wäre natürlich was, wenn ich dan am Elternsprechtag den Eltern erklären muss, warum ihre hochbegabten Idiotenkinder immer noch keine 1-Schüler sind. Vielleicht mache ich es da mal, wie mein alter Mathelehrer, der hatte immer etwas Hochprozentiges in seiner Kaffeetasse am Elternsprechtag – die Farne hat man deutlich gerochen. Tja, so wird alles erträglicher, was?
Apropos erträglich, meine Eltern, die schon immer eher dafür waren, dass ich mir eine Ausbildung suche – und möglichst schnell auf eigenen Beinen stehe – wollen, dass ich mich mal in der Umgebung umschaue, was den für Ausbildungsplätze noch unbesetzt sind. Ein bisschen kurz vor knapp, aber es muss ja nicht jeder so schnell sein. Die Auswahl ist wahnsinnig spannend, sehe ich mich eher als Sozialversicherungsfachangestellte (kurz Sofa) – diesen Job hat meine Schwester, sie hat ihre Ausbildung abgeschlossen, sie ist etwas älter als ich – oder eher als Kraftfahrerin, Köchin, Gärtnerin, Mechanikerin, Verkäuferin, Fluggeräteelektronikerin (ich wusste nicht einmal, dass es den Beruf gibt, man lernt eben nie aus), Friseuse, oh nein, da verdient man ja nichts, wie ich gehört habe, Fleischerin oder vielleicht doch eher Kosmetikerin. Also erst mal, will ich keine Tiere töten oder hochnäsigen Frauen im Gesicht oder den Haaren rumpatschen. Einen LKW zu fahren könnte ich mir noch vorstellen, coole Musik und dann auf zum Roadtrip aber auf Dauer wird das auch sehr anstrengend sein, ich weiß nicht, wie die Arbeitszeiten sind oder wie viel man verdient, aber ich erinnere mich dunkel, dass ich vor drei Jahren den Beruf vorgeschlagen habe und meine Eltern mir das mit irgendwelchen Argumenten ausgeredet haben, mein Vater kennt da einen Kraftfahrzeugfahrer und kennt sich ein bisschen aus. Gärtnerin wäre wahrscheinlich zu körperlich anstrengend, für mich kleine übergewichtige Rumkugel. Ach, ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Ich warte immer noch auf eine Rückmeldung wegen meinen Probekapiteln. Ich hab die am 12ten Juni abgeschickt, und ab vier Monaten soll man das Schweigen als Absage werten, also habe ich mir eine Frist gesetzt. Ab dem 20ten September gehe ich von einer Absage aus – da habe ich die Zeit eingerechnet, die die Post sicher gebraucht hat. Büchersendungen können dauern.
Gut, was mache ich nach dem 20ten September? Das wird dann bereits vier Tage nach Beginn der Vorlesungen des neuen Semesters meines Architekturstudiums sein. Solange ich keine wirkliche Alternative habe, sollte ich das Studium nicht abbrechen, dass macht sich auf dem Lebenslauf gar nicht gut, wenn man mal so ein Jahr nichts gemacht hat. Vielleicht sollte ich mich mal erkundigen, wann jetzt eigentlich die Prüfungen sind. Wieso ist der Informationsfluss eigentlich immer so schlecht? An meinem Gymnasium war das auch immer so … vielleicht liegt das ja an mir? Sollte ich vielleicht mal häufiger mit Menschen reden? Aber wenn ich das mache, denken die nicht mehr, dass ich nett bin, sondern erkennen meinen diabolisch bösen Kern … kleiner Scherz am Rande, obwohl es stimmt, dass Leute, die mich nicht kennen, immer denken, ich sei voll nett, weil ich lächele und ihnen zunicke oder grüße, aber wenn sie sich mal länger mit mir unterhalten, stellen sie fest, dass ich doch nicht so bin, wie sie es sich gedacht haben. Dicke Menschen sind nicht immer liebe Menschen. Das ist eine Lebensweisheit: beurteile nie ein Buch nach seinem Cover.
Apropos Cover, wenn der 20te September überschritten ist, werde ich mich wohl um ein Cover für mein Buch bemühen müssen, dann überarbeite ich den Text ein letztes Mal und dann wird dieses ungeliebte Meisterwerk im Selbstverlag veröffentlicht. Vielleicht wollen es ja doch Leute lesen?
Oh und ab dem 24ten fahren meine Eltern in ihren Türkeiurlaub! Da freue ich mich schon drauf, weil ich beschlossen habe, mein Wohnzimmer, das ehemalige Zimmer meiner Schwester, das mir jetzt seit ihrem Auszug gehört, leer zu räumen und die Wände zu streichen. Ich kann die Wasserflecken auf der Tapete unter dem Dachfenster nicht mehr mit ansehen. Da hat es mal reingeregnet, garantiert war das als meiner Schwester noch der Raum gehörte – mir würde das ja niiiieee passieren. Außer das eine Mal, als ich bei so einem Jahrhundertsturm im Urlaub das Dachfenster über meinem Bett offengelassen habe und in meinem Hotelzimmer ein sehr nasses Wasserbett vorfand. Das war echt blöd.
Übrigens habe ich genau den Personen, die bisher in meinem Blog vorgekommen sind, sprich meinen Eltern und Frida, hiervon erzählt. Meine Freundin Frida hält es für eine tolle Idee, während meine Eltern nur die Augen verdrehen und nachfragen, wann jetzt eigentlich mein Studium weitergeht und das das ja gar nicht mehr lange ist, ich mal in die Pötte kommen soll und nicht immer nur rumchillen. Aber so sind Eltern glaub ich immer, als ich neulich bei Frida war, haben ihre Eltern ganz genauso an ihr herumgemeckert, wie meine Eltern das auch immer machen, da fühlte ich mich ein Stück weit besser. Unsere Eltern kennen sich ja auch, mein Vater war mit Fridas Vater in der Schule mal befreundet, genauso wie mein Opa mit Fridas Opa in der Schule bekannt war. So ist das auf dem Dorfe, man kennt sich.
Oh Backe, Frida hat mir gerade geschrieben, dass sie eine Beule in das Auto ihres Onkels gefahren hat – jetzt hat sie natürlich Angst, dass ihren Eltern zu sagen. Das ist etwas, was ich nur zu gut nachempfinden kann. Ich dachte, ich breche zusammen, als ich meinen Eltern gestehen musste, dass ich beim zu schnellen Abbiegen schön hinten die Seite von meinem Auto aufgekratzt habe mit so einem Mauerpfeiler auf der Ecke. Wenigstens musste ich die Reparatur der Mauer nicht bezahlen, die gehörte nämlich der Freundin, die ich aus dieser winzigen Straße abholen wollte. Nennen wir sie Phoebe, ich weiß, sie liebt diesen Namen und möchte so irgendwann mal ihre Töchter nennen. Phoebe wohnt aber auch in so einer total schmalen Straße, da kann man nur mit einem Auto auf einmal durch fahren. Seit mir das passiert ist, parke ich immer vor dem Straßenanfang und gehe das letzte Stück zu Phoebes Haus zu Fuß. Mein Vater war übrigens zu geizig, die Reparatur der drei aufgekratzten und eingebeulten Autoteile zu bezahlen, statt dessen hat er dunkelblaue Lackfarbe aus dem Baumarkt gekauft und die über die Kratzer gestrichen. Man sieht natürlich, dass der Lack da viel zu hell ist, aber wenigstens rostet das Auto jetzt nicht – wir sind ja pragmatisch. Ich glaube, das ist ein guter Zeitpunkt, zu erwähnen, dass mein Auto einen Namen hat. Das hat Tradition in unserer Familie, das erste Auto hat immer einen eigenen Namen. Das erste Auto von meinem Papa hieß Hannibal, weil er damit über die Alpen gefahren ist und das erste Auto meiner Schwester hieß Susi, ein Suzuki. Mein Auto ein dunkelblauer Renault Clio, den wir von meinem Opa geerbt haben, als er 2009 gestorben ist, hatte bereits die Initialen von meinem Opi auf dem Kennzeichen. Der Nachname passte, aber der Vorname nicht, mein Opi hieß Opa Heini, also Heinrich. Es musste also was mit ‚H‘ sein und irgendwie war das Auto für mich männlich, weswegen ich ihm den im Nachhinein sehr cleveren Namen ‚Horst‘ aufgedrückt habe. Mein Auto heißt Horst, wie der Vogelhorst – Vögel sind das Symbol der Freiheit und ihr Zuhause ist da, wo ihr Horst ist. Ich wollte mit diesem Auto frei und unabhängig sein, aber mich trotzdem überall da wohl fühlen, wo mein Auto war. Ich nahm mein Zuhause also mit, meinen Horst.
Autos Namen zu geben hat sich dann auch durch meinen Freundeskreis gezogen, aber kein anderes Auto hat einen so coolen Namen wie Horst. Und immerhin bin ich nicht diejenige, die ihren Äpfeln Namen gibt, aber das ist wieder eine andere Geschichte. Ich fände es schön, wenn ich so eine Art, Einheitlichkeit meiner Blogeinträge einführen könnte, so wie etwas, dass ich immer am Anfang oder am Ende schreibe … ah ich weiß: soviel dazu, man liest sich ;)



Montag, 1. September 2014
1. Blogeintrag
Geschichten. Alles erzählt Geschichten. Jedes Buch, jedes Hörspiel, jeder Film, jede Serie … Geschichten. So viele Formen und doch, wenn man genauer hinschaut, ist alles immer wieder dasselbe. Es gibt nur eine ganz begrenzte Auswahl an Bausteinen, die für eine Geschichte verwendet werden können. Sie handeln schlicht vom Menschen und den verschiedenen Arten, wie deren Leben verlaufen könnten. Teilweise realistisch und bitter, dann wieder humorvoll und locker – die meisten Geschichten aber sind fantastisch, im Sinne von ausgedacht, ein Produkt der Fantasie.
Wie abgefahren ausgedacht etwas ist, überlegt sich der Schöpfer selbst, gibt es Wesen, die nicht tatsächlich existieren, wie Drachen, Sphinxen und Trolle? Oder vielleicht einfach nur die wahre Liebe, die auf mitunter magische Weise alle Hindernisse überwindet, die sich ihr in den Weg stellt.
Der Witz ist, dass obwohl sich in den verschiedenen Geschichten die meisten Elemente immer und immer wieder wiederholen, Dreiecksbeziehungen beispielsweise, Affären oder Schwangerschaften, soll jede Geschichte neu und ganz einzigartig sein. Das kann man natürlich nicht garantieren, wenn man nicht sämtliche Geschichten der Welt kennt, weiß man nicht, ob die Version, der aneinandergereihten Handlungsstückchen zusammengepuzzelt ein Bild ergeben, das schon einmal da war.
Ich kann nur hoffen, dass die Worte, die ich hier niederschreibe, nicht schon einmal in genau dieser Konstellation vorgekommen sind. Davon muss ich ausgehen, denn ich möchte meine Geschichte erzählen – nicht wirklich eine Geschichte, sondern mehr meine Gedanken. Das ist es doch, was einen Blog ausmacht, nicht? Dass jemand ständig Uploads macht, darüber, womit er sich täglich beschäftigt? Ein Onlinetagebuch, das jeder andere auch lesen kann. Heute ist Montag, der erste September 2014. Heute fange ich an zu schreiben.

Ich bin gerade an einem heiklen Punkt in meinem Leben angekommen. Wenn ich die Tarotkarten befragen würde, dann wäre ich sicherlich gerade in einer Situation mit „dem Tod“, „dem Gehängten“ oder gar „dem Gericht“. Ich bin an einem Wendepunkt angekommen, an dem ich die Dinge, die mir unangenehm sind und mich belasten nicht ewig unter den Teppich kehren kann. Ich bin 21 Jahre alt und weiß beim besten Willen nicht, was ich mit dem Rest meines Lebens anfangen soll. Bei der Lebenserwartung, die in Deutschland derzeit vorherrscht, habe ich vielleicht noch 60 Jahre zu leben. Ein Viertel meines Lebens ist vorbei und im Rückblick scheint es in einem Wimpernschlag verflogen zu sein. Umso älter man wird, desto schneller vergeht die Zeit. Ein Paradoxon.
So gesehen sind 60 Jahre gar nicht so viel, aber sie wollen gut genutzt werden. Seit ich mein Abitur gemacht habe, hieß es immer, ich müsste entscheiden, was ich werden will. In dieser Welt der Entscheidungsmöglichkeiten gar nicht so leicht. Es gibt viele Themenbereiche, die mich interessieren, ich schaue gerne Dokumentarfilme über Archäologie und vergangene Kulturen, wie die alten Ägypter, Chinesen oder Griechen, aber auch über die Zeit der Dinosaurier oder zukunftsweisende Technologie und das Weltall. Ich genieße Krimiserien und liebe Kinderfilme. Ich lese selten und doch sehe ich mich selbst als Autorin. Ich habe sogar ein Buch geschrieben, das inzwischen über 400 Seiten lang ist und für das ich noch mindestens zwei Fortsetzungen im Kopf habe, aber die sechs Verlage, an die ich die ersten drei Kapitel als Leseprobe geschickt habe, lassen sich ewig Zeit … noch ein paar Wochen, dann muss ich ihr Schwiegen als Absage interpretieren. Es fällt mir schwer, das hinzu nehmen, weil ich mich selbst so in der Rolle der Erzählerin sehe. Alle haben mir immer gesagt, ich soll die eine Sache finden, die mich begeistert und bei der ich mir vorstellen kann, damit den Rest meines Lebens zu verbringen. Das Leben ist zu kurz, um es mit einem Beruf zu vergolden, in dem man unglücklich ist. Man muss nur das finden, dass sich für einen richtig anfühlt und dann hat man es geschafft. Das Problem ist, dass es nicht so einfach ist. Ich habe mir eine Karriere ausgesucht, von der ich glaube, dass sie mich glücklich machen wird, an jedem einzelnen Tag. Aber was, wenn ich nicht gut genug bin? Wenn ich damit nie genug Geld verdienen kann, um davon zu leben? Wenn niemand lesen will, was ich fabriziert habe?
Aus dieser Angst heraus und dem ständigen Drängen meiner Eltern, habe ich einige Bewerbungen auf Ausbildungsplätze in meiner näheren Umgebung geschrieben und bin auch zu den Vorstellungsgesprächen hingegangen – die Stellen habe ich aber nie ergattern können, vielleicht weil es einfach Menschen gab, die es mehr wollten oder sich besser verstellen konnten. Als ich keine Ausbildungsstelle bekam, gaben meine Eltern nach und stimmten zu, dass ich ein Studium anfangen sollte, allerdings wollte ich nicht Literatur studieren – ich erwähnte es bereits, ich lese sehr selten und auch ungern Bücher, speziell ältere, kompliziert geschriebene Werke, damit könnte man mich jagen. Ich bin einfach kein Leser-Typ, der sich einen ruhigen Abend mit Schiller oder Shakespeare macht. Es ist nicht so, als würde ich gar nicht lesen, aber wenn, dann sind es eher Jugendbücher. Also kein Literaturstudium für mich, aber was dann? Ich bekam eine kleine Extrafrist zum Nachdenken, als ich im letzten Schuljahr noch eine kleine Ehrenrunde drehte – wegen einer sehr schlechten Note in … ja, wirklich: Deutsch! Zu meiner Verteidigung: die Bücher waren echt schnarch-langweilig und so umständlich geschrieben …
Möglicherweise ist das einer der Gründe, der meine Eltern glauben lässt, dass ich es niemals weit schaffen werde. Meiner Lesefaulheit hatte ich übrigens noch eine kleine Besonderheit zu verdanken: eine diagnostizierte Rechtschreibschwäche, die mir ein hübsches Blatt Papier einbrachte, auf dem Stand, dass meine Lehrer bis zur Oberstufe meine Rechtschreibfehler nicht in die Bewertung meiner Klassenarbeiten einrechnen durften. Das war tatsächlich nötig, weil ich extrem schlecht war und damit meine ich wirklich extrem schlecht. Es war vor sieben Jahren dann, dass ich das Schreiben für mich entdeckt habe, kleinere am Anfang sehr unbeholfene Fanfiktions – und siehe da, ich wurde schlagartig besser. Das Rechtschreibprogramm von Word hat mich auf meine Fehler aufmerksam gemacht und so lernte ich, wie die Wörter richtig aussehen müssen. Die Verbesserung meiner Leistung war so plötzlich, dass meine Klassenlehrerin mich alleine sprechen wollte, um mir mitzuteilen, wie sehr sie sich über diese Entwicklung freute.
Ich würde sagen, die Schwäche habe ich einigermaßen überwunden, Flüchtigkeitsfehler passieren natürlich immer noch und ich kann nur die Wörter wirklich schreiben, die ich tatsächlich selbst benutze und muss überlegen, wenn mich andere fragen, wie man dieses und jenes schreibt, aber im Großen und Ganzen komme ich klar.
Sieben Jahre Schreiberfahrung auf dem Buckel und das erste eigene Werk auf dem Computer, fühle ich mich schon als richtige Autorin, aber man ist nun mal nicht wirklich Autorin, bis man etwas veröffentlicht hat. Gut, wenn man einen Blog online schreibt, den alle lesen können, ist das schon mehr oder weniger eine Veröffentlichung. Ab wann ist man wirklich Autor? Kann mir das jemand sagen? Muss man erst mit dem Schreiben Geld verdienen? Dann kann es bei mir noch eine ganze Weile dauern, bevor ich mir diesen Titel verliehen darf.
Das Architekturstudium, das ich vor etwa einem Jahr begonnen habe, hat sich als definitiv nicht das Richtige für mich herausgestellt. Ich hab auch nie gelogen, nicht vor anderen und schon gar nicht vor mir selbst, dass es das wäre, was ich will. Ich hab einer Zukunft als Architektin offen entgegengeblickt und wurde innerlich immer verzweifelter, wenn ich meine Professoren reden hörte, darüber, dass nur diejenigen, die diesen Beruf wirklich lieben, Architekten werden sollten, weil die viele Arbeit einen sonst langsam auffrisst. Oder als meine verhassteste Professorin – aus Datenschutzgründen, nenne ich sie mal bei einem liebevollen Spitznamen: „die Hexe“ – mir vor dem versammelten Kurs sagte, ich hätte nicht das Zeug dazu Architektin zu werden, mir würde es an Talent und Fleiß fehlen.
Ich hab mich lange nicht getraut, meinen Eltern zu sagen, dass ich überlege, dass Studium abzubrechen. Als ich es einer meiner besten Freundinnen gesagt habe – nennen wir sie doch mal Frida, sie sagte selbst neulich, dass sie gerne so heißen würde – meinte sie „kneifen gilt nicht“ und „hier wird nichts geschmissen“, wahrscheinlich dachte sie nicht, dass ich es so ernst meine und wollte mich aufmuntern und motivieren das Studium durchzuhalten, um danach endgültig unglücklich in einem Beruf gestrandet zu sein, den ich nie wirklich haben wollte. Aber ich habe es meinen Eltern gesagt. Wie immer, bin ich ein ziemlicher Spätzünder, die Semesterferien sind schließlich fast vorbei und irgendwann demnächst ist noch mal eine Prüfungswoche, für die ich nie gelernt habe. Die meisten Anmeldefristen sind schon abgelaufen … eine Uni in der Nähe habe ich gefunden, wo ich auf Lehramt studieren könnte. Alle, die nicht wissen, was sie werden sollen, studieren erst mal auf Lehramt. Philosophie wäre cool und Geschichte, aber dafür müsste ich eine zweite Fremdsprache neben Englisch und ein Latinum haben. Ein kleines Latinum habe ich, aber reicht das wohl? Und was für eine zweite Fremdsprache sollte ich lernen? Ich hab mal in meiner Anime und Manga Phase angefangen japanisch zu lernen, bis ich gemerkt habe, was für eine Schweinearbeit das ist, sich die ganzen verdammten Schriftzeichen reinzuprügeln. Französisch kam für mich nie in Frage, weil man da nicht mal die Wörter so schreibt, wie man sie spricht, da könnte ich wahrscheinlich gar nicht schreiben oder nur schreiben und nicht reden. Nein … die einzige Sprache, die ich gerne in Abendkursen lernen würde, wäre die Gebärdensprache, mit Mimik und Gestik zu sprechen und das zu verstehen wäre voll cool. Aber wird Gebärdensprache für ein Geschichtsstudium als Fremdsprache anerkannt? Wenn nicht, sollte es das! Das ist ja eine gänzlich fremde Sprache, aber ich vermute, die wollen da eher etwas, das modrig und tot ist … eben wie Latein, Hebräisch und wie diese ganzen uralten Sprachen vom Anbeginn der Zeit sonst so heißen. Alte Ruhnensprache zu entziffern fand ich in einer Doku auch total spannend, wie die das machen, aber ich selbst könnte das sicher nicht. Man fängt ja an, indem man ähnliche Wörter von verwandten Sprachen sucht und einfach rät, bis man sich den Rest erschließen kann. Ich glaube, ich würde da ganz weit daneben liegen.
Ich glaube, ich entferne mich vom eigentlichen Thema. Was war denn noch mal das Thema? Ich glaube, es ging um mein Leben und was ich jetzt die nächsten 60 Jahre damit anstellen soll. Auf jeden Fall will ich nicht Architektin werden, es könnte für den Beruf dezent hinderlich sein, wenn man all diese furchtbar modernen Gebäude als kalte, unpersönliche, hässliche Skulpturen mit großen leeren Räumen, in denen Menschen leben sollen, versteht. Nein, Architektur ist nichts für mich, wenn ich mir nicht gerade im Urlaub ein paar alte Schlösser angucke und mich an der Pracht der Vergangenheit erfreue. Obwohl, so toll war es damals gar nicht. Wusstet ihr, dass der gesamte Hofstab vom französischen König in Schloss Versailles (ich musste googeln, wie es richtig geschrieben wird) immer wieder zwischen den Flügeln des Schlosses hin und her gezogen ist. Man musste einfach irgendwann die Räumlichkeiten wechseln, denn im ganzen Schloss gab es damals keine Toiletten. Man hat einfach irgendwo in die Ecken gemacht, speziell als Dienstbote in den kleinen Nebenräumen – der Gestank muss echt übel gewesen sein. Sowas erfährt man, wenn man auf Reisen geht. Das haben die bei meinem ersten Besuch in Paris bei einer Führung durch das Schloss erzählt, da war ich sieben Jahre alt, aber den Scheiß konnte ich mir merken. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Aber ich schweife schon wieder ab. Eines meiner Lieblingszitate ist: "Wie glücklich bin ich? Das ist für uns die wichtigste Frage im Leben. Für einen Indianer hängt der Erfolg nicht davon ab, wie viel er verdient oder welche gesellschaftliche Stellung er einnimmt, sondern einzig und allein davon, wie glücklich er ist", von Teton Sioux, sagt das Internet. Okay, glücklich sein … das wäre mir auch das Wichtigste. Dummer Weise muss man in dieser Gesellschaft zumindest den einen oder anderen Standard erfüllen, damit man nicht von anderen „bemitleidet“ oder eher herablassend behandelt wird. Hartz VI Empfänger beispielsweise ist für die meisten Abiturienten nicht gerade ein angestrebtes Leben. Was wird eigentlich von einem Mädchen – das hatte ich, glaube ich, vergessen zu erwähnen: ich bin weiblich – heutzutage verlangt. Was ist das perfekte Leben?
Wenn man zum Beispiel als alte Jungfer „endet“, ohne je einen Lebenspartner oder eine Lebenspartnerin gefunden zu haben, sehen die meisten Leute wohl auf die Person herab. Die „Sie“ von heute hat alle Möglichkeiten, sie soll die Liebe finden, heiraten und Kinder kriegen – gleichzeitig wird sie aber auch aufgefordert als Karrierefrau die Gleichstellung mit dem Mann anzustreben, indem Fall entscheidet sie sich wohl besser dafür gar keine Kinder zu haben, sonst wird sie in unserer dauerkritischen Gesellschaft noch als Rabenmutter verschrien, weil sie nie Zeit für ihre Kinder hat. Aber wenn es für eine Frau nur ihre Karriere gibt, wird sie auch bemitleidet, weil ihr da das wichtigste im Leben fehle. Sprich, egal, was man macht, man macht es eh verkehrt. Grundsätzlich gilt: such dir einen Job und verdiene dein eigenes Geld, damit du nicht dem Staat auf der Tasche liegst – finde einen Kerl, heirate, kriege Kinder und kündige deinen Job, damit du deinem Mann auf der Tasche liegen kannst. So oder so ähnlich läuft das doch, so wurde mir das beigebracht.
Die Sache mit dem Ehemann schieben wir mal ganz weit weg, über das Thema kann ich ein andermal schreiben. Für die Einleitung ist dieser Eintrag ziemlich lang geworden, also denke ich, sollte ich hier mal zu einem vorläufigen Ende kommen: wovon handelt dieser Blog? Was für eine Geschichte möchte ich euch erzählen?
Wenn ich ehrlich bin, weiß ich das nicht so genau. Ich werde wohl einfach über mein mitunter chaotisches Leben schreiben und von meinem Versuch berichten, meinen Traum zu leben und bei Gelegenheit ein paar Fragen aufgreifen, die mich in meinem schrägen Querdenkerkopf beschäftigen. Soviel dazu, man liest sich ;)