10. Blogeintrag
Hallöchen, ich merke, ich bin nicht die regelmäßigste Schreiberin. Also, was gibt es neues? Zunächst einmal: ich hab den Studienplatz bekommen. Jetzt werde ich Kommunikationsdesign lernen, zwei Jahre hier und dann möglicherweise noch ein Jahr lang im Ausland, Southhampton in England, das wird was werden. Nina allein im Ausland … na ja, mal sehen, wie das so läuft. Erst mal bin ich jetzt an dem Collage hier. Montag kriege ich den Vertrag, dann bin ich da ganz offiziell. Da ist anwesenheitspflicht, das wird auch lustig, wenn ich jeden Tag diese Strecke fahren muss. 85 km – etwa 50 Minuten Fahrt ohne Verkehr, jeden Morgen und jeden Abend. Auf die Dauer geht das auch sicher tierisch ins Geld. Benzin ist schließlich auch nicht super billig heutzutage. Vielleicht ist es da schon fast günstiger, sich eine Wohnung da zu suchen. Aber so richtig günstig sind die auch nicht. Natürlich nicht. Beides hätte seine Vor- und seine Nachteile, zu Pendeln oder da zu wohnen.
Zunächst mal, wenn ich mir da eine kleine Wohnung suche, werde ich da unter der Woche wohnen, von Sonntagabend bis Donnerstag- oder Freitagabend (Ich hab laut meinem neuen Stundenplan nur alle zwei Wochen am Freitag Unterricht). Der Vorteil davon wäre, eine eigene Wohnung, praktisch als Rückzugsort, wenn meine Eltern mir mal wieder auf die Nerven gehen. Dort könnte ich mir 4-5 Tage die Woche selbst kochen, was ich am liebsten esse. Ich könnte unter der Woche abends was mit meinen neuen Freunden vom Collage unternehmen. Morgens könnte ich länger schlafen und nachmittags hätte ich mehr Zeit – und an den Wochenenden sowie den Ferien wäre ich immer noch hier, bei meiner Familie und meinen anderen Freunden. Praktisch genau das, was Phoebe macht. Nachteile davon sind natürlich, dass meine Befürchtungen darüber Phoebe zu verlieren, wenn sie immer so viel weg ist, auch auf mich übertragbar sind. Emma hat mich mit ihren großen traurigen Rehaugen angesehen, als ich von diesem Studium erzählt habe: „Du hast mir doch versprochen, zu bleiben und nicht weg zu gehen!“ Das habe ich tatsächlich getan, als wir uns mal über Phoebe unterhalten haben. Sie war so traurig wie ich darüber und hat genau wie ich die Gefahr gesehen, dass Phoebe sich so auf Dauer von uns entfernt. Also hab ich ihr versprochen, dass sie zumindest mich immer behalten wird, immer hier haben wird. Und ich will ja auch eigentlich nirgendwo hin.
Ach Quatsch, man wird mich auch nicht verlieren! Wisst ihr, wie viel Ferien ich habe? Sie sind identisch mit den Schulferien! 12 Wochen dieses Jahr und da sind die langen Wochenenden mit Pfingsten und Christihimmelfahrt noch nicht mal mit drin. Ich werde immer noch hier sein, selbst wenn ich in der Woche mal ein paar Tage weg bin und außerdem – wofür hat der liebe Gott denn Telefone erfunden? Ich werde einfach nicht zulassen, dass der Kontakt nach Hause abbricht! So! Die wirklichen Nachteile von zwei Wohnsitzen wäre, dass ich immer Kleidung einpacken muss und Zuhause waschen, außerdem müsste ich dann entweder all meine Filme, CDs und Hörbücher aufteilen oder immer hin und her schleppen. Es kann sein, dass ich mich des Öfteren ärgere, wenn ich zum Beispiel da bin und gerne Harry Potter hören möchte, aber die Kassetten sind hier Zuhause. Außerdem ist eine Wohnung da wie gesagt nicht gerade günstig und in eine WG will ich nicht. WGs sind scheiße. Und da wäre nicht nur die Miete zu bezahlen, sondern ja auch Kaution und neue Möbel. Der Stress, die ranzuschaffen, würde ich mir sparen, wenn ich einfach Zuhause bleibe.
Wenden wir uns der Möglichkeit zu. Was wäre, wenn ich Zuhause bleibe, wo meine Eltern jetzt, da ich wieder etwas mit Zukunft in Aussicht habe, richtig gut drauf sind? Sie meckern vielleicht immer noch wegen meiner Ernährung, aber was mein Studium angeht, sind sie vollauf zufrieden. Um zum Unterricht zu kommen, klingelt mein Wecker derzeit um 5 Uhr, damit ich spätestens um halb 7 losfahren kann – und ich hab echt Probleme damit, mich aus dem Bett zu quälen. Dann fahre ich über die Autobahn, am Freitag sogar im Dunkeln und bei Regen. Besonders lustig wird das im Winter bei Eis und Schnee … Aber ich bin immer um 16 Uhr Zuhause. Das Essen, das ich mir koche, ist schon eingekauft und im Haus. In meinen Zimmern oben habe ich auch relativ meine Ruhe, eigentlich stört mich da kaum mal jemand. Ich wäre immer noch erreichbar und unmittelbar um die Ecke. Ich hab all meine Sachen und meine Menschen um mich herum. Benzin ist zwar teuer, aber wenn ich vier bis fünf Tage die Woche da hoch fahre, ist das schon genauso viel Geld, wie die Miete, Nebenkosten, Möbel und Verpflegung? Außerdem müsste ich ja auch bei einer neuen Wohnung mindestens einmal die Woche die Stecke hin und zurück fahren. Was ist da wohl günstiger?
Ich weiß es nicht. Das müsste man mal durchrechnen. Ich entscheide das ja auch nicht allein, sondern mit meinen Eltern. Aber ich glaube, dass hat noch etwas Zeit. Erst mal wollen die ja jetzt in Urlaub fahren. Am 24ten ist es endlich soweit. Das mit dem Streichen meines Wohnzimmers hier wird etwas schwieriger, jetzt, da ich nicht mehr den ganzen Tag Zuhause sitze, aber ich denke, ich werde es trotzdem packen. Ich räume einfach an dem Mittwoch schon mal mein Zimmer halbwegs aus. Donnerstags habe ich nur bis 13 Uhr, danach müsste ich eigentlich mal zu meiner FH und mich da abmelden und danach fange ich dann mit meinem Zimmer an. Das einzige, was ich sonst so an dem Wochenende vorhabe, ist Emilias Geburtstagsparty am Samstagabend. Wenn ich Sonntag alles wieder in mein Wohnzimmer einräumen kann, bin ich zufrieden. Ich denke mal, das wäre nicht schlecht. Das müsste ich hinkriegen. Ich frag mal die Mädels, ob jemand Bock hat, zu helfen. Streichen macht ja eigentlich Spaß – zu zweit aber mehr als alleine. So, ich setz mich dann mal wieder an die Hausaufgaben, dieses Studium ist so verrückt, als Hausaufgabe, soll ich eine Collage machen und ein Bild malen. Voll eigenartig, Dinge tun zu müssen, bei denen man Spaß hat. Die Collage ist für „Grafik und Textelemente gestalten“ – da haben wir schon erfahren, was das Projekt ist, an dem wir jetzt das ganze erste Semester arbeiten werden: ein Buchcover gestalten. Zu diesem Zweck durfte sich jeder ein Buch überlegen, für das er ein neues Cover gestalten will – ich nehme natürlich meins, was sonst!? Die Collage ist ein Moodboard, das die Stimmung des Buches einfangen soll, also wie es sich anfühlt. Die Atmosphäre in meinem Buch ist eher kühl und bedrohlich, denke ich. Ich hab gestern gleich nach dem Aufstehen den PC hochgefahren und schon mal Bilder für das Moodboard gegoogelt. Hab jetzt erst mal 69 Bilder in einem Ordner dafür abgelegt, die kommen natürlich nicht alle drauf. Aber ich bin ein leidenschaftlicher Collagengestalter. Das mache ich immer um mich zu entspannen. Ich könnte vor Lachen weinen, echt! Es ist total irritierend, dass ich genau so etwas gefunden habe, bei dem ich mich nicht schlecht fühle, sondern gut. Es ist mir wieder irgendwie zugeflogen, wie alles Gute in meinem Leben.
Ich bin natürlich jetzt absolut last-Minute in diese Klasse reingerutscht. Da sind auch nur nette Leute drin, wie ich das bisher sehe. Andererseits war ich knapp drei Tage da, vielleicht zeigen die ja bald ihr wahres Gesicht? So ähnlich wie ich. Ich vermute, die denken derzeit, ich wäre total schüchtern und lieb – so wirkte ich, wenn ich irgendwo neu bin, außerdem war ich total übermüdet, sowas macht mich ruhiger. Da bin ich noch voll unsicher, aber ich erwärme mich gerade langsam und bald werden die ihren Augen nicht trauen, wenn ich meine anderen Seiten zeige.
Gott, ich freu mich auf das Cover für mein Buch. Wenn ich das in einem halben Jahr in mühsamer Kleinarbeit fertig gestellt habe, kann ich das Buch im Selbstverlag veröffentlichen. Dann sieht es nämlich geil aus, dafür werde ich in Zusammenarbeit mit meiner Lehrerin sorgen. Noch so was Eigenartiges an diesem Collage: alle Lehrer sind so seltsam motiviert und gut gelaunt – die haben Spaß bei der Arbeit! Das kenne ich ja so gar nicht von früher aus der Schule.
So viel dazu, man liest sich ;)