Montag, 1. September 2014
1. Blogeintrag
Geschichten. Alles erzählt Geschichten. Jedes Buch, jedes Hörspiel, jeder Film, jede Serie … Geschichten. So viele Formen und doch, wenn man genauer hinschaut, ist alles immer wieder dasselbe. Es gibt nur eine ganz begrenzte Auswahl an Bausteinen, die für eine Geschichte verwendet werden können. Sie handeln schlicht vom Menschen und den verschiedenen Arten, wie deren Leben verlaufen könnten. Teilweise realistisch und bitter, dann wieder humorvoll und locker – die meisten Geschichten aber sind fantastisch, im Sinne von ausgedacht, ein Produkt der Fantasie.
Wie abgefahren ausgedacht etwas ist, überlegt sich der Schöpfer selbst, gibt es Wesen, die nicht tatsächlich existieren, wie Drachen, Sphinxen und Trolle? Oder vielleicht einfach nur die wahre Liebe, die auf mitunter magische Weise alle Hindernisse überwindet, die sich ihr in den Weg stellt.
Der Witz ist, dass obwohl sich in den verschiedenen Geschichten die meisten Elemente immer und immer wieder wiederholen, Dreiecksbeziehungen beispielsweise, Affären oder Schwangerschaften, soll jede Geschichte neu und ganz einzigartig sein. Das kann man natürlich nicht garantieren, wenn man nicht sämtliche Geschichten der Welt kennt, weiß man nicht, ob die Version, der aneinandergereihten Handlungsstückchen zusammengepuzzelt ein Bild ergeben, das schon einmal da war.
Ich kann nur hoffen, dass die Worte, die ich hier niederschreibe, nicht schon einmal in genau dieser Konstellation vorgekommen sind. Davon muss ich ausgehen, denn ich möchte meine Geschichte erzählen – nicht wirklich eine Geschichte, sondern mehr meine Gedanken. Das ist es doch, was einen Blog ausmacht, nicht? Dass jemand ständig Uploads macht, darüber, womit er sich täglich beschäftigt? Ein Onlinetagebuch, das jeder andere auch lesen kann. Heute ist Montag, der erste September 2014. Heute fange ich an zu schreiben.

Ich bin gerade an einem heiklen Punkt in meinem Leben angekommen. Wenn ich die Tarotkarten befragen würde, dann wäre ich sicherlich gerade in einer Situation mit „dem Tod“, „dem Gehängten“ oder gar „dem Gericht“. Ich bin an einem Wendepunkt angekommen, an dem ich die Dinge, die mir unangenehm sind und mich belasten nicht ewig unter den Teppich kehren kann. Ich bin 21 Jahre alt und weiß beim besten Willen nicht, was ich mit dem Rest meines Lebens anfangen soll. Bei der Lebenserwartung, die in Deutschland derzeit vorherrscht, habe ich vielleicht noch 60 Jahre zu leben. Ein Viertel meines Lebens ist vorbei und im Rückblick scheint es in einem Wimpernschlag verflogen zu sein. Umso älter man wird, desto schneller vergeht die Zeit. Ein Paradoxon.
So gesehen sind 60 Jahre gar nicht so viel, aber sie wollen gut genutzt werden. Seit ich mein Abitur gemacht habe, hieß es immer, ich müsste entscheiden, was ich werden will. In dieser Welt der Entscheidungsmöglichkeiten gar nicht so leicht. Es gibt viele Themenbereiche, die mich interessieren, ich schaue gerne Dokumentarfilme über Archäologie und vergangene Kulturen, wie die alten Ägypter, Chinesen oder Griechen, aber auch über die Zeit der Dinosaurier oder zukunftsweisende Technologie und das Weltall. Ich genieße Krimiserien und liebe Kinderfilme. Ich lese selten und doch sehe ich mich selbst als Autorin. Ich habe sogar ein Buch geschrieben, das inzwischen über 400 Seiten lang ist und für das ich noch mindestens zwei Fortsetzungen im Kopf habe, aber die sechs Verlage, an die ich die ersten drei Kapitel als Leseprobe geschickt habe, lassen sich ewig Zeit … noch ein paar Wochen, dann muss ich ihr Schwiegen als Absage interpretieren. Es fällt mir schwer, das hinzu nehmen, weil ich mich selbst so in der Rolle der Erzählerin sehe. Alle haben mir immer gesagt, ich soll die eine Sache finden, die mich begeistert und bei der ich mir vorstellen kann, damit den Rest meines Lebens zu verbringen. Das Leben ist zu kurz, um es mit einem Beruf zu vergolden, in dem man unglücklich ist. Man muss nur das finden, dass sich für einen richtig anfühlt und dann hat man es geschafft. Das Problem ist, dass es nicht so einfach ist. Ich habe mir eine Karriere ausgesucht, von der ich glaube, dass sie mich glücklich machen wird, an jedem einzelnen Tag. Aber was, wenn ich nicht gut genug bin? Wenn ich damit nie genug Geld verdienen kann, um davon zu leben? Wenn niemand lesen will, was ich fabriziert habe?
Aus dieser Angst heraus und dem ständigen Drängen meiner Eltern, habe ich einige Bewerbungen auf Ausbildungsplätze in meiner näheren Umgebung geschrieben und bin auch zu den Vorstellungsgesprächen hingegangen – die Stellen habe ich aber nie ergattern können, vielleicht weil es einfach Menschen gab, die es mehr wollten oder sich besser verstellen konnten. Als ich keine Ausbildungsstelle bekam, gaben meine Eltern nach und stimmten zu, dass ich ein Studium anfangen sollte, allerdings wollte ich nicht Literatur studieren – ich erwähnte es bereits, ich lese sehr selten und auch ungern Bücher, speziell ältere, kompliziert geschriebene Werke, damit könnte man mich jagen. Ich bin einfach kein Leser-Typ, der sich einen ruhigen Abend mit Schiller oder Shakespeare macht. Es ist nicht so, als würde ich gar nicht lesen, aber wenn, dann sind es eher Jugendbücher. Also kein Literaturstudium für mich, aber was dann? Ich bekam eine kleine Extrafrist zum Nachdenken, als ich im letzten Schuljahr noch eine kleine Ehrenrunde drehte – wegen einer sehr schlechten Note in … ja, wirklich: Deutsch! Zu meiner Verteidigung: die Bücher waren echt schnarch-langweilig und so umständlich geschrieben …
Möglicherweise ist das einer der Gründe, der meine Eltern glauben lässt, dass ich es niemals weit schaffen werde. Meiner Lesefaulheit hatte ich übrigens noch eine kleine Besonderheit zu verdanken: eine diagnostizierte Rechtschreibschwäche, die mir ein hübsches Blatt Papier einbrachte, auf dem Stand, dass meine Lehrer bis zur Oberstufe meine Rechtschreibfehler nicht in die Bewertung meiner Klassenarbeiten einrechnen durften. Das war tatsächlich nötig, weil ich extrem schlecht war und damit meine ich wirklich extrem schlecht. Es war vor sieben Jahren dann, dass ich das Schreiben für mich entdeckt habe, kleinere am Anfang sehr unbeholfene Fanfiktions – und siehe da, ich wurde schlagartig besser. Das Rechtschreibprogramm von Word hat mich auf meine Fehler aufmerksam gemacht und so lernte ich, wie die Wörter richtig aussehen müssen. Die Verbesserung meiner Leistung war so plötzlich, dass meine Klassenlehrerin mich alleine sprechen wollte, um mir mitzuteilen, wie sehr sie sich über diese Entwicklung freute.
Ich würde sagen, die Schwäche habe ich einigermaßen überwunden, Flüchtigkeitsfehler passieren natürlich immer noch und ich kann nur die Wörter wirklich schreiben, die ich tatsächlich selbst benutze und muss überlegen, wenn mich andere fragen, wie man dieses und jenes schreibt, aber im Großen und Ganzen komme ich klar.
Sieben Jahre Schreiberfahrung auf dem Buckel und das erste eigene Werk auf dem Computer, fühle ich mich schon als richtige Autorin, aber man ist nun mal nicht wirklich Autorin, bis man etwas veröffentlicht hat. Gut, wenn man einen Blog online schreibt, den alle lesen können, ist das schon mehr oder weniger eine Veröffentlichung. Ab wann ist man wirklich Autor? Kann mir das jemand sagen? Muss man erst mit dem Schreiben Geld verdienen? Dann kann es bei mir noch eine ganze Weile dauern, bevor ich mir diesen Titel verliehen darf.
Das Architekturstudium, das ich vor etwa einem Jahr begonnen habe, hat sich als definitiv nicht das Richtige für mich herausgestellt. Ich hab auch nie gelogen, nicht vor anderen und schon gar nicht vor mir selbst, dass es das wäre, was ich will. Ich hab einer Zukunft als Architektin offen entgegengeblickt und wurde innerlich immer verzweifelter, wenn ich meine Professoren reden hörte, darüber, dass nur diejenigen, die diesen Beruf wirklich lieben, Architekten werden sollten, weil die viele Arbeit einen sonst langsam auffrisst. Oder als meine verhassteste Professorin – aus Datenschutzgründen, nenne ich sie mal bei einem liebevollen Spitznamen: „die Hexe“ – mir vor dem versammelten Kurs sagte, ich hätte nicht das Zeug dazu Architektin zu werden, mir würde es an Talent und Fleiß fehlen.
Ich hab mich lange nicht getraut, meinen Eltern zu sagen, dass ich überlege, dass Studium abzubrechen. Als ich es einer meiner besten Freundinnen gesagt habe – nennen wir sie doch mal Frida, sie sagte selbst neulich, dass sie gerne so heißen würde – meinte sie „kneifen gilt nicht“ und „hier wird nichts geschmissen“, wahrscheinlich dachte sie nicht, dass ich es so ernst meine und wollte mich aufmuntern und motivieren das Studium durchzuhalten, um danach endgültig unglücklich in einem Beruf gestrandet zu sein, den ich nie wirklich haben wollte. Aber ich habe es meinen Eltern gesagt. Wie immer, bin ich ein ziemlicher Spätzünder, die Semesterferien sind schließlich fast vorbei und irgendwann demnächst ist noch mal eine Prüfungswoche, für die ich nie gelernt habe. Die meisten Anmeldefristen sind schon abgelaufen … eine Uni in der Nähe habe ich gefunden, wo ich auf Lehramt studieren könnte. Alle, die nicht wissen, was sie werden sollen, studieren erst mal auf Lehramt. Philosophie wäre cool und Geschichte, aber dafür müsste ich eine zweite Fremdsprache neben Englisch und ein Latinum haben. Ein kleines Latinum habe ich, aber reicht das wohl? Und was für eine zweite Fremdsprache sollte ich lernen? Ich hab mal in meiner Anime und Manga Phase angefangen japanisch zu lernen, bis ich gemerkt habe, was für eine Schweinearbeit das ist, sich die ganzen verdammten Schriftzeichen reinzuprügeln. Französisch kam für mich nie in Frage, weil man da nicht mal die Wörter so schreibt, wie man sie spricht, da könnte ich wahrscheinlich gar nicht schreiben oder nur schreiben und nicht reden. Nein … die einzige Sprache, die ich gerne in Abendkursen lernen würde, wäre die Gebärdensprache, mit Mimik und Gestik zu sprechen und das zu verstehen wäre voll cool. Aber wird Gebärdensprache für ein Geschichtsstudium als Fremdsprache anerkannt? Wenn nicht, sollte es das! Das ist ja eine gänzlich fremde Sprache, aber ich vermute, die wollen da eher etwas, das modrig und tot ist … eben wie Latein, Hebräisch und wie diese ganzen uralten Sprachen vom Anbeginn der Zeit sonst so heißen. Alte Ruhnensprache zu entziffern fand ich in einer Doku auch total spannend, wie die das machen, aber ich selbst könnte das sicher nicht. Man fängt ja an, indem man ähnliche Wörter von verwandten Sprachen sucht und einfach rät, bis man sich den Rest erschließen kann. Ich glaube, ich würde da ganz weit daneben liegen.
Ich glaube, ich entferne mich vom eigentlichen Thema. Was war denn noch mal das Thema? Ich glaube, es ging um mein Leben und was ich jetzt die nächsten 60 Jahre damit anstellen soll. Auf jeden Fall will ich nicht Architektin werden, es könnte für den Beruf dezent hinderlich sein, wenn man all diese furchtbar modernen Gebäude als kalte, unpersönliche, hässliche Skulpturen mit großen leeren Räumen, in denen Menschen leben sollen, versteht. Nein, Architektur ist nichts für mich, wenn ich mir nicht gerade im Urlaub ein paar alte Schlösser angucke und mich an der Pracht der Vergangenheit erfreue. Obwohl, so toll war es damals gar nicht. Wusstet ihr, dass der gesamte Hofstab vom französischen König in Schloss Versailles (ich musste googeln, wie es richtig geschrieben wird) immer wieder zwischen den Flügeln des Schlosses hin und her gezogen ist. Man musste einfach irgendwann die Räumlichkeiten wechseln, denn im ganzen Schloss gab es damals keine Toiletten. Man hat einfach irgendwo in die Ecken gemacht, speziell als Dienstbote in den kleinen Nebenräumen – der Gestank muss echt übel gewesen sein. Sowas erfährt man, wenn man auf Reisen geht. Das haben die bei meinem ersten Besuch in Paris bei einer Führung durch das Schloss erzählt, da war ich sieben Jahre alt, aber den Scheiß konnte ich mir merken. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Aber ich schweife schon wieder ab. Eines meiner Lieblingszitate ist: "Wie glücklich bin ich? Das ist für uns die wichtigste Frage im Leben. Für einen Indianer hängt der Erfolg nicht davon ab, wie viel er verdient oder welche gesellschaftliche Stellung er einnimmt, sondern einzig und allein davon, wie glücklich er ist", von Teton Sioux, sagt das Internet. Okay, glücklich sein … das wäre mir auch das Wichtigste. Dummer Weise muss man in dieser Gesellschaft zumindest den einen oder anderen Standard erfüllen, damit man nicht von anderen „bemitleidet“ oder eher herablassend behandelt wird. Hartz VI Empfänger beispielsweise ist für die meisten Abiturienten nicht gerade ein angestrebtes Leben. Was wird eigentlich von einem Mädchen – das hatte ich, glaube ich, vergessen zu erwähnen: ich bin weiblich – heutzutage verlangt. Was ist das perfekte Leben?
Wenn man zum Beispiel als alte Jungfer „endet“, ohne je einen Lebenspartner oder eine Lebenspartnerin gefunden zu haben, sehen die meisten Leute wohl auf die Person herab. Die „Sie“ von heute hat alle Möglichkeiten, sie soll die Liebe finden, heiraten und Kinder kriegen – gleichzeitig wird sie aber auch aufgefordert als Karrierefrau die Gleichstellung mit dem Mann anzustreben, indem Fall entscheidet sie sich wohl besser dafür gar keine Kinder zu haben, sonst wird sie in unserer dauerkritischen Gesellschaft noch als Rabenmutter verschrien, weil sie nie Zeit für ihre Kinder hat. Aber wenn es für eine Frau nur ihre Karriere gibt, wird sie auch bemitleidet, weil ihr da das wichtigste im Leben fehle. Sprich, egal, was man macht, man macht es eh verkehrt. Grundsätzlich gilt: such dir einen Job und verdiene dein eigenes Geld, damit du nicht dem Staat auf der Tasche liegst – finde einen Kerl, heirate, kriege Kinder und kündige deinen Job, damit du deinem Mann auf der Tasche liegen kannst. So oder so ähnlich läuft das doch, so wurde mir das beigebracht.
Die Sache mit dem Ehemann schieben wir mal ganz weit weg, über das Thema kann ich ein andermal schreiben. Für die Einleitung ist dieser Eintrag ziemlich lang geworden, also denke ich, sollte ich hier mal zu einem vorläufigen Ende kommen: wovon handelt dieser Blog? Was für eine Geschichte möchte ich euch erzählen?
Wenn ich ehrlich bin, weiß ich das nicht so genau. Ich werde wohl einfach über mein mitunter chaotisches Leben schreiben und von meinem Versuch berichten, meinen Traum zu leben und bei Gelegenheit ein paar Fragen aufgreifen, die mich in meinem schrägen Querdenkerkopf beschäftigen. Soviel dazu, man liest sich ;)