Dienstag, 2. September 2014
2. Blogeintrag
Am 16ten September fängt der reguläre Unterricht sprich die Vorlesung an meiner Fachhochschule wieder an, die mir beibringen wollen, wie man Architekt wird. An der Nahen Universität, die ich im letzten Eintrag schon erwähnt habe, könnte ich mich noch bis zum 30ten September bewerben, um auf Lehramt zu studieren. Philosophie, Geschichte oder Sozialwissenschaften würde ich in Erwägung ziehen, aber es gehen nur zwei davon auf einmal, eins als Haupt- und das andere als Nebenfach. Meine Eltern sagen, dass ich das nicht richtig durchdenke und dass ich vermutlich als Lehrerin nicht glücklich werde. Sie haben nicht unrecht … ich hab ein total schlechtes Namensgedächtnis, so schlecht, das glaubt man gar nicht! Meine Mutter holt immer wieder bei solchen Gelegenheiten diesen Spruch raus: „Mama, wie heißt noch mal meine Freundin, mit der ich jeden Tag spiele?“ Zu meiner Verteidigung, ich hatte ihren Namen am Anfang schon nicht richtig verstanden und irgendwann war der Punkt überschritten, an dem man noch mal höflich hätte nachfragen können, wie der gegenüber heißt. Da bleibt nur, das erwähnen von Namen grundsätzlich vermeiden, funktioniert gut.
Das war im Kindergarten damals … ach, so eine schöne Zeit, meine Kindergärtnerin hielt mich für hochbegabt und erzählte meiner Mutter, dass ich manchmal lange am Fenster stehe und mir selbst irgendwelche ausgedachten Geschichten erzähle. Tja, ich hab eben sehr früh mit dem Führen von Selbstgesprächen angefangen, heute ist das nicht mehr süß. Und Geschichten habe ich mir schon immer gern ausgedacht. Von Prinzessinnen und Zauberdrachen … wie mein Vater zu sagen pflegt: „damals war ich ‚klein und süß‘, heute bin ich nur noch ‚und‘“. Das war auch die Zeit, als mein absoluter Traumberuf Hausfrau war und ich mir diese tollen Spielsachen gewünscht habe, eine kleine Waschmaschine, einen kleinen Staubsauger, eine kleine Küche … alles schön zum spielen als Vorbereitung auf das spätere Leben. Traumberuf Hausfrau – witziger Weise wollte ich aber nicht Hausfrau und Mutter sein, sondern einfach nur Hausfrau. Das hab ich mir dann aber auch irgendwann aus dem Kopf geschlagen und als ich schließlich in der Grundschule war und wir als Hausaufgabe einen Aufsatz darüber schreiben sollten, was wir mal werden wollen, beziehungsweise, wo wir uns in zwanzig Jahren sehen, hab ich auf meinen Zettel einen einzigen Satz geschrieben (ich war ja so verdammt faul): „Ich möchte für immer Kind bleiben“ – ich war ein sehr weises Kind. Ich wusste, wie gut ich es habe und dass sich das am besten niemals ändern darf.
Kinder haben schon ein tolles Leben, den ganzen Tag spielen, essen und schlafen! Und man durfte ja im Grunde alles machen, nur hat man das nie genutzt. Ach ja … ich war gern klein und ich wusste meine Schulferien zu schätzen. Wenn ich mal Nichten und Neffen habe, dann bring ich denen bei, ihr Leben als Kinder voll auszuleben und zu genießen, damit sie von ihrer Kindheit auch richtig was haben. Ja, richtig gelesen „Nichten und Neffen“, ich erwarte einfach von meiner Schwester, dass sie unseren Eltern die Enkelkinder schenkt, die sie so gern haben wollen. Ich hätte auch gerne Kinder, die ich mir gelegentlich ausleihen und nur Mist beibringen kann, so wie meine Patentanten und ihre Ehemänner früher. Mann, die haben mir echt nur Stuss beigebracht, mein erster vollständiger Satz war. „Hau weg die Kacke“, glücklicherweise konnte ich das ‚K‘ nicht aussprechen, klang immer mehr wie ein ‚T‘ also „Hau wech die Tatte“, in meiner sehr ausgereiften Sprache. Oder das ich als Kind auf alle Dinge immer mit dem Mittelfinger gezeigt habe, verdanke ich der Tatsache, dass man mir beigebracht hatte, die Hand so zu halten, dass ich den Mittelfinger zeige. Meine Mutter hat immer einen Anfall gekriegt, wenn ich auf etwas gezeigt habe, im Alter von vier oder fünf – Danke an meine lieben Paten an dieser Stelle. Ich weiß, ihr hattet sehr viel Spaß mit mir und rückblickend würde ich das nur zu gerne mit den Kindern von anderen Leuten anstellen.
Ich selbst möchte keine Kinder, aus sehr vielen Gründen. Am besten haue ich mal das Geilste vorweg raus: meine Mutter hat eine sehr schlimme Form der Schuppenflechte. Diese Krankheit ist erblich, also rechne ich damit, dass selbst, sollte ich sie nicht im Laufe meines Lebens bekommen, meine Kinder unter höherer Wahrscheinlichkeit als ich, darunter zu leiden hätten und das würde ich echt niemandem antun wollen. Außerdem finde ich klingen Schwangerschaften wahnsinnig verlockend: Morgenübelkeit, die übrigens nicht zwangsläufig nur morgens ist, sondern auch mal den ganzen Tag vorhalten kann, und das kann so von der fünften bis schlimmstenfalls zur vierzehnten Woche. Na dann, fröhliches Kotzen! Neun Monate lang! Wasser in den Beinen, Rückenschmerzen, Tritte aus dem eigenen Bauch heraus, ganz zu schweigen, von dem Ende der Schwangerschaft, wo du unter furchtbaren Qualen ein fußballgroßen Kopf samt Körber durch ein wallnussgroßes Loch quetschen darfst. Das klingt für mich irgendwie nicht nach einer großen Menge Spaß.
Ich bin kein Monster, wenn ich ein Kind geboren hätte, würde der Rausch von Hormonen mir sagen, dass ich dieses Zerbrechliche etwas in meinen Armen lieben muss und ich würde es tun. Dann müsste ich es mit großer Mühe nicht versehentlich umbringen, seinen A-a weg machen und dafür sorgen, dass es mit Spucke rülpst. Also erträgt man erst mal die erste Zeit, wächst das Baby zu einem nervigen Gör heran, vielleicht wie unser Nachbarskind, dieses Blag schreit jeden Tag. Das Mädchen ist mindestens schon in der Grundschule, aber sie hat einfach Spaß daran zu kreischen, glaube ich. Wenn ich ihre Mutter wäre, würde ich ihr einmal einen gehörigen Grund geben zu schreien und danach macht sie es hoffentlich nie wieder, so. Am meisten aber graut mir vor der schlimmsten Phase der Erziehung, vor dem pubertierenden Teenager, der dieses Baby eines Tages werden wird.
Alles in allem: nö, ich will keine Kinder. Wegen dieser ausgesprochen freundlichen Art, die ich Kindern offensichtlich entgegenbringe, soll angeblich der Beruf des Lehrers für mich nicht geeignet sein, aber ich sag mal so: die Lehrerinnen, die alle Kinder ach so süß finden, können sich eh nicht durchsetzen. Am liebsten mochte ich immer die Lehrer, vor denen alle Kinder Angst hatten, die wurden respektiert und bei denen hat man auch wirklich was gelernt. Andererseits sagt, ich nenne sie mal weiterhin Frida, dass ich mich mal informieren soll, ob wenn ich fertig bin mit dem Studium viele Lehrer für diese Fächer in Rente gehen – bestimmt keine schlechte Idee. Ich frag mal beim Arbeitsamt. Meine Schwester meint (ihr Freund studiert auch auf Lehramt), dass Lehrer, die keine Hauptfächer unterrichten, keine Stellen kriegen, ich hab mir aber nur „Nebenfächer“ ausgesucht. Obwohl ich zum Beispiel Sozialwissenschaften als Leistungskurs im Abitur hatte und es Leute gab, die Geschichte als Leistungskurs hatten. Frida hat auch mal überlegt, ob sie Lehramt studiert, ihre Fächer wären Französisch und Spanisch gewesen – eine recht seltene Fächerkombination. Aber Frida hat eine Ausbildung gefunden.
Sie würde gern Frida heißen, hat sie gesagt, ich finde den Namen altbacken. Ich glaube, eine Freundin meiner Oma hieß mal so. ich würde mein ohnehin nie existierendes Kind niemals Frida nennen, genauso wenig wie Irmgard oder Wilma. Aber diese abgedrehten Namen, die die Stars ihren Kindern gebe würde ich auch nie nehmen … manche Leute sollten auch einfach keine Kinder kriegen. Wahrscheinlich verdummt die Menschheit nach und nach, weil die intelligenten Menschen sich nicht fortpflanzen und die Trottel vermehren sich wie die Karnickel. Zumindest habe ich manchmal das Gefühl. Na ja … das wäre natürlich was, wenn ich dan am Elternsprechtag den Eltern erklären muss, warum ihre hochbegabten Idiotenkinder immer noch keine 1-Schüler sind. Vielleicht mache ich es da mal, wie mein alter Mathelehrer, der hatte immer etwas Hochprozentiges in seiner Kaffeetasse am Elternsprechtag – die Farne hat man deutlich gerochen. Tja, so wird alles erträglicher, was?
Apropos erträglich, meine Eltern, die schon immer eher dafür waren, dass ich mir eine Ausbildung suche – und möglichst schnell auf eigenen Beinen stehe – wollen, dass ich mich mal in der Umgebung umschaue, was den für Ausbildungsplätze noch unbesetzt sind. Ein bisschen kurz vor knapp, aber es muss ja nicht jeder so schnell sein. Die Auswahl ist wahnsinnig spannend, sehe ich mich eher als Sozialversicherungsfachangestellte (kurz Sofa) – diesen Job hat meine Schwester, sie hat ihre Ausbildung abgeschlossen, sie ist etwas älter als ich – oder eher als Kraftfahrerin, Köchin, Gärtnerin, Mechanikerin, Verkäuferin, Fluggeräteelektronikerin (ich wusste nicht einmal, dass es den Beruf gibt, man lernt eben nie aus), Friseuse, oh nein, da verdient man ja nichts, wie ich gehört habe, Fleischerin oder vielleicht doch eher Kosmetikerin. Also erst mal, will ich keine Tiere töten oder hochnäsigen Frauen im Gesicht oder den Haaren rumpatschen. Einen LKW zu fahren könnte ich mir noch vorstellen, coole Musik und dann auf zum Roadtrip aber auf Dauer wird das auch sehr anstrengend sein, ich weiß nicht, wie die Arbeitszeiten sind oder wie viel man verdient, aber ich erinnere mich dunkel, dass ich vor drei Jahren den Beruf vorgeschlagen habe und meine Eltern mir das mit irgendwelchen Argumenten ausgeredet haben, mein Vater kennt da einen Kraftfahrzeugfahrer und kennt sich ein bisschen aus. Gärtnerin wäre wahrscheinlich zu körperlich anstrengend, für mich kleine übergewichtige Rumkugel. Ach, ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Ich warte immer noch auf eine Rückmeldung wegen meinen Probekapiteln. Ich hab die am 12ten Juni abgeschickt, und ab vier Monaten soll man das Schweigen als Absage werten, also habe ich mir eine Frist gesetzt. Ab dem 20ten September gehe ich von einer Absage aus – da habe ich die Zeit eingerechnet, die die Post sicher gebraucht hat. Büchersendungen können dauern.
Gut, was mache ich nach dem 20ten September? Das wird dann bereits vier Tage nach Beginn der Vorlesungen des neuen Semesters meines Architekturstudiums sein. Solange ich keine wirkliche Alternative habe, sollte ich das Studium nicht abbrechen, dass macht sich auf dem Lebenslauf gar nicht gut, wenn man mal so ein Jahr nichts gemacht hat. Vielleicht sollte ich mich mal erkundigen, wann jetzt eigentlich die Prüfungen sind. Wieso ist der Informationsfluss eigentlich immer so schlecht? An meinem Gymnasium war das auch immer so … vielleicht liegt das ja an mir? Sollte ich vielleicht mal häufiger mit Menschen reden? Aber wenn ich das mache, denken die nicht mehr, dass ich nett bin, sondern erkennen meinen diabolisch bösen Kern … kleiner Scherz am Rande, obwohl es stimmt, dass Leute, die mich nicht kennen, immer denken, ich sei voll nett, weil ich lächele und ihnen zunicke oder grüße, aber wenn sie sich mal länger mit mir unterhalten, stellen sie fest, dass ich doch nicht so bin, wie sie es sich gedacht haben. Dicke Menschen sind nicht immer liebe Menschen. Das ist eine Lebensweisheit: beurteile nie ein Buch nach seinem Cover.
Apropos Cover, wenn der 20te September überschritten ist, werde ich mich wohl um ein Cover für mein Buch bemühen müssen, dann überarbeite ich den Text ein letztes Mal und dann wird dieses ungeliebte Meisterwerk im Selbstverlag veröffentlicht. Vielleicht wollen es ja doch Leute lesen?
Oh und ab dem 24ten fahren meine Eltern in ihren Türkeiurlaub! Da freue ich mich schon drauf, weil ich beschlossen habe, mein Wohnzimmer, das ehemalige Zimmer meiner Schwester, das mir jetzt seit ihrem Auszug gehört, leer zu räumen und die Wände zu streichen. Ich kann die Wasserflecken auf der Tapete unter dem Dachfenster nicht mehr mit ansehen. Da hat es mal reingeregnet, garantiert war das als meiner Schwester noch der Raum gehörte – mir würde das ja niiiieee passieren. Außer das eine Mal, als ich bei so einem Jahrhundertsturm im Urlaub das Dachfenster über meinem Bett offengelassen habe und in meinem Hotelzimmer ein sehr nasses Wasserbett vorfand. Das war echt blöd.
Übrigens habe ich genau den Personen, die bisher in meinem Blog vorgekommen sind, sprich meinen Eltern und Frida, hiervon erzählt. Meine Freundin Frida hält es für eine tolle Idee, während meine Eltern nur die Augen verdrehen und nachfragen, wann jetzt eigentlich mein Studium weitergeht und das das ja gar nicht mehr lange ist, ich mal in die Pötte kommen soll und nicht immer nur rumchillen. Aber so sind Eltern glaub ich immer, als ich neulich bei Frida war, haben ihre Eltern ganz genauso an ihr herumgemeckert, wie meine Eltern das auch immer machen, da fühlte ich mich ein Stück weit besser. Unsere Eltern kennen sich ja auch, mein Vater war mit Fridas Vater in der Schule mal befreundet, genauso wie mein Opa mit Fridas Opa in der Schule bekannt war. So ist das auf dem Dorfe, man kennt sich.
Oh Backe, Frida hat mir gerade geschrieben, dass sie eine Beule in das Auto ihres Onkels gefahren hat – jetzt hat sie natürlich Angst, dass ihren Eltern zu sagen. Das ist etwas, was ich nur zu gut nachempfinden kann. Ich dachte, ich breche zusammen, als ich meinen Eltern gestehen musste, dass ich beim zu schnellen Abbiegen schön hinten die Seite von meinem Auto aufgekratzt habe mit so einem Mauerpfeiler auf der Ecke. Wenigstens musste ich die Reparatur der Mauer nicht bezahlen, die gehörte nämlich der Freundin, die ich aus dieser winzigen Straße abholen wollte. Nennen wir sie Phoebe, ich weiß, sie liebt diesen Namen und möchte so irgendwann mal ihre Töchter nennen. Phoebe wohnt aber auch in so einer total schmalen Straße, da kann man nur mit einem Auto auf einmal durch fahren. Seit mir das passiert ist, parke ich immer vor dem Straßenanfang und gehe das letzte Stück zu Phoebes Haus zu Fuß. Mein Vater war übrigens zu geizig, die Reparatur der drei aufgekratzten und eingebeulten Autoteile zu bezahlen, statt dessen hat er dunkelblaue Lackfarbe aus dem Baumarkt gekauft und die über die Kratzer gestrichen. Man sieht natürlich, dass der Lack da viel zu hell ist, aber wenigstens rostet das Auto jetzt nicht – wir sind ja pragmatisch. Ich glaube, das ist ein guter Zeitpunkt, zu erwähnen, dass mein Auto einen Namen hat. Das hat Tradition in unserer Familie, das erste Auto hat immer einen eigenen Namen. Das erste Auto von meinem Papa hieß Hannibal, weil er damit über die Alpen gefahren ist und das erste Auto meiner Schwester hieß Susi, ein Suzuki. Mein Auto ein dunkelblauer Renault Clio, den wir von meinem Opa geerbt haben, als er 2009 gestorben ist, hatte bereits die Initialen von meinem Opi auf dem Kennzeichen. Der Nachname passte, aber der Vorname nicht, mein Opi hieß Opa Heini, also Heinrich. Es musste also was mit ‚H‘ sein und irgendwie war das Auto für mich männlich, weswegen ich ihm den im Nachhinein sehr cleveren Namen ‚Horst‘ aufgedrückt habe. Mein Auto heißt Horst, wie der Vogelhorst – Vögel sind das Symbol der Freiheit und ihr Zuhause ist da, wo ihr Horst ist. Ich wollte mit diesem Auto frei und unabhängig sein, aber mich trotzdem überall da wohl fühlen, wo mein Auto war. Ich nahm mein Zuhause also mit, meinen Horst.
Autos Namen zu geben hat sich dann auch durch meinen Freundeskreis gezogen, aber kein anderes Auto hat einen so coolen Namen wie Horst. Und immerhin bin ich nicht diejenige, die ihren Äpfeln Namen gibt, aber das ist wieder eine andere Geschichte. Ich fände es schön, wenn ich so eine Art, Einheitlichkeit meiner Blogeinträge einführen könnte, so wie etwas, dass ich immer am Anfang oder am Ende schreibe … ah ich weiß: soviel dazu, man liest sich ;)