Dienstag, 9. September 2014
6. Blogeintrag
Hab noch mal über meinen letzten Eintrag nachgedacht. Das war vielleicht etwas viel auf einmal und etwas sehr heftig. Und dabei hab ich mich in den ersten Beiträgen doch noch so gut zusammengerissen, aber jetzt wird wohl langsam klar, wie ausufernd ich denke. In meinem Kopf sind eine ganze Reihe komischer Gedanken, von denen ich fast denke, dass niemand sonst sich so ausgiebig damit beschäftigt.
Ich hatte schon immer eine sehr eigenartige Art, die Dinge zu sehen. Schon als Kind. Ich hab immer alles niederredet. Wenn ich vor einer Klausur oder Klassenarbeit Angst habe, hab ich ein kleines Spiel gespielt, dass da heißt „Was kann schlimmstenfalls passieren?“ – aber man muss realistisch bleiben und keine Panik schieben, dann funktioniert das super. Es nimmt einem die Angst vor allem. Denn wenn man die Dinge in einem größeren Kontext sieht, erkennt man, wie unwichtig alles ist. „Das alles ist für das Universum als Ganzes nicht wichtiger, als das Krabbeln der Ameisen.“ Das Leben eines einzelnen Menschen spielt kaum eine Rolle. Wen interessiert, was für eine Note ich in der zweiten Klassenarbeit in Mathe in der siebten Klasse hatte, wenn ich mit der Schule einmal fertig bin? Niemanden! Man muss nur weiterkommen und nicht sitzen bleiben – uns selbst, wenn das mal nicht klappt, ist das genau genommen auch nicht so wild. Man sieht vielleicht dann nicht mehr die gleichen Leute in der Klasse, dann sind deine Freunde eben einen Jahr über dir – halt den Kontakt, sieh sie in der Pause und Freunde dich mit neuen Leuten an. Alles wird gut. Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Blablabla. Die Hauptaussage müsste rübergekommen sein.
Bleibt ruhig und alles wird gut. Das gehört mit zu meiner fantastischen Lebenseinstellung.
Nochmal zurück zu dem Thema am Ende meines letzten Blogeintrags, darüber könnte ich nämlich noch ewig weiterschrieben, aber ich fand, der Eintrag würde zu lang werden. Also: Geld und das ausgeben des selbigen. Es ist nicht so, als wäre ich komplett über Werbung erhaben und den ganzen „haben-wollen“-Kram.
In meiner Familie haben wir den Tick, dass wir alle sammeln, vielleicht ist das auch in anderen Familien so, aber mir ist das bisher nur an meiner aufgefallen, na ja, ich kenne auch andere Familien nicht so gut, was das angeht. Meine Mutter sammelt Kochbücher, Rezepte und Dekorationen. Mein Vater hat eine riesige CD-Sammlung, außerdem hat er extra einen Raum im Keller mit seinen Regalen voller HP-Bildatlanten und seinen Comics. Meine Schwester ist ein richtiges Mädchen, sie sammelt eben das übliche: Schuhe, Handtaschen, Kleidung, Schmuck, Accessoires … ein bisschen sogar Filme und Staffeln. Was mich angeht nun … Ich hab ein sehr männliches Kaufverhalten. Ich gehe auch durchaus mal Klamotten shoppen, wenn ich wirklich welche brauche, sprich: wenn die alten kaputt sind. Aber dann gehe ich los mit dem Gedanken „Ich brauche eine neue Jeanshose“, gehe in den Laden, probiere zwei an und kauf die, die besser gepasst hat – dann geh ich wieder. Ich hab mir sagen lassen, dass Frauen das normalerweise anders machen. Aber ich bin definitiv die falsche Shoppingbeleitung. Ich war schon mal mit Frida shoppen und hab vor der Umkleide gesessen und auf die gewartet. Ich war mindestens so gelangweilt, wie der Typ auf dem Stuhl neben mir, der von seiner Freundin mitgeschleppt worden war. Ich war nicht mal in der Lage, das gleiche Teil eine Nummer kleiner oder größer zu finden. „Vollkommen anderes Muster“ – also für mich sahen die gleich aus. Aber sei‘s drum. Ich sammle auch. Keine Klamotten und Schuhe, wie ihr sicher gemerkt habt, auch keine CDs, auch wenn ich mir manchmal welche von meinem Papa nehmen darf, wenn er versehentlich eine Doppelt hat oder so. Nein, ich sammle Geschichten: Filme, Staffeln, Hörbücher, Hörspiele und sogar ein bisschen Bücher, auch wenn ich ja meistens etwas zu faul zum Lesen bin. Hab in der letzten Woche übrigens zwei „die drei ???“ Bücher aus der Bücherei gelesen – ich bin stolz auf mich. Eigentlich plane ich auch nochmal „Meteor“ von Dan Brown zu lesen und „Inferno“ bevor es verfilmt wird, beziehungsweise, bevor ich den Film gucke. Aber mit den wirklich dicken Schinken warte ich besser, bis nach dem Renovieren, wenn mein Lesesessel in meinem Zimmer steht.
Ich finde, geistiger Besitz ist der einzige, der Sinn macht. Wenn man etwas daraus mitnehmen kann, in eine andere Welt eintauchen oder etwas Wichtiges lernt – dafür Geld auszugeben macht meiner Meinung nach am meisten Sinn. Was im Leben ist den kostbarer als Wissen und Erfahrung? Ein besonders teures Halstuch vielleicht?
Vermutlich ist es euch schon aufgefallen, aber ich messe Mode und dem Aussehen, speziell meinem Aussehen keine große Bedeutung bei. Womöglich behaupten das alle, die sich selbst hässlich finden, aber das ist mir egal. Ich will nicht wunderschön sein, dass wäre mir viel zu anstrengend - ich will mich nur in meiner Haut wohl fühlen.
Meiner Meinung nach ist das ja ohnehin das aller, aller wichtigste: sich wohl zu fühlen. Im einen Körper, in seinem Zuhause, in seinen Beziehungen und insgesamt in seinem Leben.
Ich hatte mal einen Lehrer, der sah nicht gerade hübsch aus. Er war klein und rundlich. Sein Anzug saß mehr oder weniger und wann immer er sein Jackett geöffnet hat, saß man, dass er Hemd und Krawatte in die Hose gestopft hatte. Sein Haar war nur noch ein Kranz um seine rote, manchmal vor Schweiß glänzende Glatze. Er war weder alt noch jung. Seinen Namen nenne ich hier besser nicht, aber er war der beste Lehrer, den ich je hatte. Er war einfach anders, als alle anderen Lehrer. Er hat seine Schüler immer gesiezt, auch, wenn sie erst elf Jahre alt waren und er hatte eine tolle Art zu sprechen. Er konnte wirklich reden, nicht unbedingt, weil er charismatisch gewesen wäre, sondern wegen so viel geballtem Wissen in seiner Ausstrahlung. Er war der einzige Gymnasiallehrer mit Doktortitel an meiner Schule und wahrscheinlich der einzige, der 7 Sprachen fließend sprach. Ein geborener Luxenburger, der in Kanada gelebt und in den USA studiert hat, nur um irgendwann mit seiner krebskranken Frau in einem Kaff wie diesem in Deutschland zu landen. Er war oft nicht da, weil er sich frei genommen hat, um bei seiner Frau zu sein. Unter uns Schülern hieß es, er sei weg, um die Welt zu retten. Ich glaube, es gab keinen einzigen Lehrer, der mehr respektiert worden wäre, als er. Es spielte nicht die geringste Rolle, wie er aussah.
Wenn ich die Wahl hätte, ob ich lieber dieser mein alter Sozialwissenschaften und Geschichte Lehrer oder keine Ahnung Heidi Klum werden wollte – würde ich auf alle Schönheit der Welt pfeifen. Es gibt viel wichtigere Dinge im Leben, als das Aussehen.
Warum zerbrechen sich Mädchen den Kopf über Makeup und Mode? Tun sie das, um sich einen Kerl zu angeln? Das habe ich eine Weile gedacht, aber das ist nicht ganz richtig. Sie machen sich nicht für die Männer hübsch, sondern um ihre Konkurrenz auszustechen. Also hängt es garantiert irgendwo mit Partnersuche oder Selbstwertgefühl zusammen. Was manchmal ja sogar dasselbe ist. Aber mal ehrlich, man braucht weder das richtige Kleid, noch einen Mann, um dem eigenen Leben einen Wert beizumessen.
Ich kann die Frauen nicht verstehen, die sich Nervengift ins Gesicht spritzen, um weniger Falten zu haben, oder sich die Brüste ballonartig aufpolstern lassen – um sich einen Kerl zu finden, der sie für ihre inneren Werte liebt, ist klar. Würgt euch doch eure Salate rein und stellt mit eurem Körper an, was immer ihr wollt. Lasst euch operieren, bis ihr wie Barbie persönlich ausseht – das ist mir vollkommen egal, aber lasst mich damit in Frieden.
Okay, ich bin nicht vollkommen darüber erhaben. Erst neulich habe ich mir einen Lockenstab gekauft, für den unschlagbaren Preis von 3,50€. Und manchmal färbe ich mir ja auch die Haare. Warum tue ich das? Weil ich mich in meiner Haut wohl fühlen wollte und meine Naturhaarfarbe ein hässliches gräuliches braunblond ist. Straßenköter. Und der Lockenstab war für besondere Anlässe gedacht, Silvester, Weihnachten, mein Geburtstag – sowas. Wenn mich der Drang überfällt, mich schick machen zu wollen. Für diese Tage der Schwäche und Mädchenhaftigkeit.
Denn manchmal überfällt es mich einfach, wenn ich nicht damit rechne, dass ich mich mal schminken könnte. Ein bisschen kann man ja auch auf sich achten. Man muss nicht völlig verwahrlosen, um seine Unabhängigkeit von diesem verrückten Schönheitsidealen heutzutage zu demonstrieren. Arg, ich hasse Doppelmoral und ich finde es furchtbar, wenn ich Inkonsequenz bei mir selbst bemerke. Wenn ich das eine denke, aber das andere tue. Ärgerlich sowas. Vielleicht ist es unmöglich nach meinen eigenen Maßstäben zu leben? Na ja, wenigstens verstümmele ich meinen Körper nicht mit irgendwelchen Eingriffen. Apropos da fällt mir ein nah verwandtes Thema ein: Tätowierungen. Frida möchte sich nämlich tätowieren lassen, auf die Schulter, da hätte sie gerne zwei Chucks und darunter den Spruch „der Weg entsteht beim Gehen“. Grundsätzlich erst mal korrekt, aber ich denke, ich würde mich niemals tätowieren lassen. Mal ganz davon abgesehen, dass ich einen gesunden Respekt vor Nadeln habe (spätestens, seit die beim letzten Mal Blutabnehmen fünfmal zustechen mussten, um meine Vene zu finden) sondern auch, weil ich mich gut genug kenne, um zu wissen, dass es mir irgendwann nicht mehr gefallen wird. Egal was, egal wo auf meinem Körper. Was ist, wenn ich es irgendwann leid bin? Wenn ich es nicht mehr sehen will? Mühsames übertätowieren oder schmerzhaft weglasern lassen. Ne, nicht für mich. Ich will kein Tattoo.
Bei manchen verstehe ich es ja noch, wenn sich jemand den Namen eines verstorbenen Angehörigen auf den Unterarm stechen lässt oder die Geburtstage der eigenen Kinder. Ein Bild vom ersten Herzschlag des Babys oder so. Etwas Unvergängliches. Aber selbst das … ich mein … irgendwann wird man alt, die Haut altert, die Bilder werden blasser, aber sie verschwinden nie ganz. Mir graut davor, wenn man die faltigen Arschgeweihe bei den Omas sieht. Frida, ich hoffe, du bist mir wegen dem, was ich geschrieben habe, nicht böse. Wenn du es dir gut überlegt hast und dir sicher bist, dass du das willst, dann mach es. Wer bin ich, dich aufzuhalten? Aber ich würde es nicht machen. Aber ich hab einen ganz ähnlichen Spruch in meinem Portemonnaie: „Nur wer abseits eingetretener Wege geht, hinterlässt bleibende Spuren.“ Den finde ich echt richtig gut. Der stand mal als Weisheit des Monats in einem meiner Comichefte. Ich hab ihn all die Jahre aufbewahrt. Ich liebe diesen Spruch, aber ich würde ihn mir trotzdem nie tätowieren. Wäre auch gar nicht nötig, er hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt und ich werde ihn wohl nie vergessen.

Noch mal zu meinem kleinen Monolog über unsere verkorkste Wirtschaft von gestern: ich sage nicht, dass Burnout und Depressionen unsere einzigen Probleme damit sind. Wir beuten ärmere Länder und deren Bevölkerung aus, um uns selbst zu bereichern. Und diese Schuld können wir auch mit gutmütigen Geldspenden für irgendwelche Hilfsorganisation nicht wettmachen.
Dieses Spenden für alles Mögliche finde ich sowieso zweifelhaft. Ich bin da misstrauisch. Ich meine, mein Lieblingslehrer hat uns mal Statistiken vorgelegt, wonach es den armen Ländern, denen wir regelmäßig Hilfe in Form von Geld zukommen lassen im Vergleich zu den Ländern ohne zusätzliche Geldmittel eher schlechter geht als den anderen. Wieso geht es denen besser, die nichts kriegen? Weil sie sich langsam aufraffen können. Die Länder, die „unterstützt“ werden, bei denen fließt das Geld größtenteils in die korrupten Regierungen, welche davon wiederum Waffen kaufen, um ihre bemitleidenswerte Bevölkerung besser unterdrücken zu können.
Mal ganz davon abgesehen, dass ich auch denke, dass viele Hilfsorganisationen bestimmt gar nicht wirklich helfen wollen. Wenn sie die Probleme, die sie angeblich bekämpfen, wirklich beseitigen, werden sie ja selbst überflüssig und arbeitslos. Ein guter Grund also nur kurzfristige Hilfe zu leisten. Keine Hilfe zur Selbsthilfe, sondern Hilfe zur Abhängigkeit. Wir geben den ärmeren Ländern ja gerne immer wieder Medizin gegen die Krankheiten, die sie dort unten befallen – aber wir geben ihnen nicht die Patente und Möglichkeiten diese Medizin für sich selbst zu produzieren. Das geht ja auch sowas von gar nicht, wie kämen wir denn dazu, etwas herzugeben, bei dem wir am Elend anderer so gut verdienen können? Irgendwann wollen wir diese Medizin ja bezahlt bekommen. Wenn die die selbst produzieren könnten, dann würden sie damit ja den Markt überschwemmen, mit guten, funktionierenden, günstigeren Medikamenten – wir würden unser Monopol verlieren, geht ja gar nicht. Aber wenn in den USA irgendwelche kleine Seuchen auftreten und es nur ein Medikament gibt, das dagegen hilft, muss der Inhaber, eine kleine deutsche Firma das Patent sofort rausrücken – sonst wäre das ja gegen die nationale Sicherheit. Alles schon vorgekommen. Die Welt ist echt manchmal sowas von beschissen.
Nicht, dass wir uns hier falsch verstehen. Ich sage nicht, ihr solltet aufhören, zu spenden. Ich bin sicher, ihr wollt nur Gutes tun. Aber vielleicht reicht es nicht, wahllos auszuwählen und hierfür oder dafür mal etwas Geld abzudrücken. Bevor man so etwas tut, muss man sich richtig informieren, was mit dem Geld gemacht wird, sonst kann man es gleich lassen.
Ich behaupte nicht, dass ich eine Lösung für all das habe. Habe ich nicht. Ich bin nicht allwissend und ich kann kein perfektes neues Wirtschaftssystem aus dem Hut zaubern und alle Probleme der Welt im Alleingang lösen. Ich glaube, allein schafft das keiner. Nur zusammen kann man etwas bewegen. Einer wirft den ersten Stein und dann ganz langsam wird er zur Lawine – und dann kommen die Veränderungen, die dringend nötig sind. Man muss nur anfangen, sich die richtigen Fragen zu stellen. Soviel dazu, man liest sich ;)