7. Blogeintrag
Gott, ich liebe das, wenn ich beim Mittagessen mit meinen Eltern sitze und sie die harmonische Stille damit unterbrechen, mich nach meiner Zukunft zu fragen.
Wenn ich der Meinung bin, dass Architektur so gar nicht das richtige ist, dann soll ich mir was suchen, dass es ist. Etwas, wo ich 100%ig hinter stehe und ganz egal was. Wenn ich irgendwo hin will um irgendwas zu studieren und nur noch am Wochenende nach Hause käme, wäre das für sie in Ordnung. Sie würden mir mit Freuden irgendwo eine Wohnung finanzieren. Eine Ausbildung, ein Studium oder ein Praktikum – ich soll machen, was ich will, aber es wird kein Jahr rumgehangen. Soweit so gut. Klingt toll, das Problem ist, dass genau die Sache, die ich zu 100% machen will, aus ihrer Sicht brotlose Kunst ist: „Schriftstellerei ist ein Hobby nicht mehr. Das kannst du ja gerne nebenbei machen. Wir wünschen dir so, dass du dein Buch veröffentlichen kannst und wären dann auch wirklich stolz auf dich, aber wir glauben nicht, dass das ausreicht und du tatsächlich vom Schreiben leben kannst.“ Dann kommen sie mit ihren Schätzwerten, wie wenige Schriftsteller in Deutschland ihrer Meinung nach überhaupt so weit kommen.
Ich soll also machen, was ich will, aber das was ich will, geht nicht. Ich kann hingehen, wo ich will, aber ich will gar nicht weg von hier. Nicht unbedingt aus diesem Haus, ich würde gerne ausziehen, aber ich will meine Heimat nicht hinter mir lassen. Ich möchte hier sein, wo meine Familie und meine Freunde sind. Was soll ich wo anders?
Frida war für vier Wochen in Oslo und obwohl sie es nicht deutlich gesagt hat, hab ich erkannt, dass sie es in dieser langen Zeit da, nicht geschafft hat auch nur einen Menschen zu finden, in dessen Gesellschaft sie sich dort nicht allein vorgekommen ist.
Hier bin ich geboren, hier bin ich aufgewachsen, hier sind alle, die ich liebe. Warum sollte ich fortgehen? Und was sollte ich an diesem anderen Ort tun? Was könnte es da geben, was es hier nicht gibt? Welchen Beruf soll ich denn bitte erlernen? Meine Eltern haben zu mi gesagt, dass ich ja offenbar auch nicht zu 100% hinter dem Lehramt stehe, also sollte ich es lassen. Es würde nichts bringen, etwas nur halbherzig zu machen. Das macht mich echt fertig. Sie tun so, als würde es mir nach ihrer kleinen Ansprache plötzlich wie von Zauberhand einfallen, was ich wirklich will. Als hätte ich plötzlich die Lösung für all ihre und meine Probleme. Dem ist aber nicht so. „Knie dich rein“, sagen sie zu mir, aber bitte – worein denn?
Als ich dann heute Nachmittag den Fernseher angemacht habe, kam meine Mutter zehn Minuten später an meine Tür und fragte mich, was ich denn jetzt tun würde. Ich sagte ihr, ich hätte recherchiert und würde gerade Pause machen, weil ich fand, dass es besser klingt, als zu sagen, dass ich nicht die leiseste Ahnung habe, was ich tatsächlich machen soll. Daraufhin meinte sie, ich würde immer nur Pausen machen, sogar Pausen von den Pausen und dass die Art, wie ich mein Leben lebe, verursacht bei ihr Stress und das man ihr jedes Mal in der Kur sagt, sie solle Stress vermeiden. Super Danke, jetzt fühle ich mich gleich viel besser.
Mein Vater sagt, man kann nicht immer das tun, was man am liebsten möchte. Er wollte damals Sozialarbeiter oder Bibliothekar werden. Sozialarbeiter hat er dann aber erkannt, hätte er als harmonieliebender Mensch nicht auf Dauer ertragen. Und als Bibliothekar hat er keine Stelle gefunden. Deswegen hat er bei einer Bank angefangen. Und dabei hätte er ja durchaus Erfolg gehabt. Das hält er wohl für ein sehr gutes Beispiel, wie etwas, dass man für sich erst nicht als richtig ansieht, hinterher doch richtig gut ist. Klingt ja auf den ersten Blick ganz nett, nur leider ist es das nicht. Was meint er mit erfolgreich? Das er Karriere gemacht hat und in der Führungsebene mitmischen kann oder dass es uns nicht an Geld mangelt? In diesen beiden Punkten hätte er recht, da war er erfolgreich. So erfolgreich, dass er vor fünf Jahren mit Burnout und Depressionen zusammengebrochen ist, eine Kur und Therapie begann, wo er sich neu verliebte und meine Mutter verlassen wollte. Nach einigen Wochen, die er allein gelebt hat, haben sich meine Eltern zwar wieder angenähert und er ist auch wieder eingezogen und alles blieb scheinbar beim gleichen, aber seit dem muss er täglich diese Tabletten nehmen, damit er nicht wieder in seine Depressionen zurückfällt. Wow, so erfolgreich will ich auch unbedingt sein. Hört man die Ironie?
Er ist also tatsächlich ein gutes Beispiel – ein gutes Beispiel für das, was mir nicht passieren soll, was ich um jeden Preis verhindern will.
Ich weiß, dass meine Eltern das nicht verstehen, dass sie nur mein Bestes wollen und dass sie sich deswegen so über meine antriebslose Jobsuche stressen, weil sie mich lieben und versorgt wissen wollen.

Die Frage ist: „Wo sehe ich mich selbst in 20 Jahren? Was möchte ich für mich in der Zukunft erreichen?“ Ich hab einen Traum, wie wohl jeder einen hat, wie ich einmal leben will. Diese Vorstellung von meiner Zukunft enthält aber keine fliegenden Autos, Dienstroboter oder Riesenvillen. Nein … mein Wunschtraum sieht ganz anders aus:
Ich möchte ein Häuschen, nichts großes, nur für eine Person. Ein Schlafzimmer, mit einem weichen, stabilen Bett, ein Badezimmer mit Dusche und Badewanne, eine kleine Speisekammer, neben der Küchenzeile im Wohnraum mit Esstisch, Sofa, Lesesessel, Schreibtisch und Kamin. Außerdem eine kleine überdachte Veranda mit Hollywoodschaukel, ein kleiner Gemüsegarten, in dem ich Kartoffeln, Erbsen und Erdbeeren anpflanze und einen Hund, einen Swissidog Sennenhund, der total verschmust ist und mich über alles liebt und nie zulassen würde, dass mir jemand was tut. Das Häuschen steht im Wald, abgelegen, aber doch nah genug, dass ich unter einer halben Stunde mit dem Fahrrad auf ebener Strecke einen Supermarkt erreichen kann. Außerdem möchte ich einen alten Truck, einen Transporter mit Ladefläche, in schwarz, nicht sehr schick und leicht verschmutzt, aber stabil und robust. Ich will morgens von den Strahlen der Sonne geweckt werden und abends auf der Veranda sitzend den Sonnenuntergang sehen. Das Dach meines kleinen Häuschens ist moosbewachsen und die Fenster haben Holzfensterläden. Keine Garage, nur einen Schuppen für Werkzeug. Ich bräuchte nicht mal Internet oder Fernsehen unbedingt, aber einen Computer, an dem ich meine Bücher schreibe, eins nach dem anderen. Das ist mein Traum und wenn ich das nicht erreichen sollte, werde ich ziemlich traurig sein.
Ich will nicht viel Geld, nur genug, dass ich davon genug zu essen, Strom, Heizung, ab und an mal neue Kleidung und vielleicht alle paar Jahre mal einen Urlaub finanzieren kann. Wenn ich ganz ausgefallen luxuriös denke, kriegt die Badewanne eine Wirlpoolfunktion.
Und noch eins, wenn ich so alt bin, das ich nicht mehr für mich selbst sorgen kann, würde ich lieber sterben, als in ein Altenheim zu gehen, wo mir vollkommen fremde Menschen die Windeln wechseln. So das war’s, das sind meine hochgesteckten Ziele, das möchte ich in meinem Leben erreichen.
Man kann natürlich in so einem Häuschen wohnen und trotzdem jeden Tag zur Arbeit gehen, aber da will ich nichts machen, was ich nicht liebe. Ich will mich nicht zur Arbeit quälen müssen und abends total erschöpft auf meinem Sofa liegen und verfluchen, dass ich morgen schon wieder dorthin muss. Ich will das, was ich tue, so sehr lieben, dass ich mich darauf freue, am Morgen aufzustehen und weiter zu machen. Jeder Mensch braucht Arbeit, aber im richtigen Maße und die richtige Arbeit. So sehe ich das.
Es gibt durchaus den einen oder anderen Beruf, den ich gerne mal ausprobieren würde. Lehrerin zum einen, weil es mich interessieren würde, wie ich damit zurechtkomme und ob ich vielleicht sogar die alte Frau in ihrem Waldhäuschen werden könnte, zu der die Kinder zum Tee kommen, wenn sie Probleme haben oder einfach vorgelesen bekommen wollen. Politikerin wäre auch recht interessant, aber es ist wohl naiv zu glauben, ich würde dann tatsächlich die Möglichkeit bekommen, die Welt nach meinen Vorstellungen zu verbessern. Radiomoderatorin und/oder Synchronsprecherin fände ich auch gut, aber das sind Berufe, da rutscht man so rein. Es gibt keine Ausbildung zur Synchronsprecherin und ich weiß, dass man es in der Branche nicht sehr leicht hat. Man wird nach Leistung bezahlt und man weiß nie, wann man wieder einen Auftrag kriegt. Manchmal kommt alles auf einmal und dann ist wieder eine Flaute. Radiomoderatorin ist da nicht so unsicher, aber … ach, ich weiß nicht. Ich hab mich schon mal auf ein Praktikum bei einem Radiosender hier ganz in der Nähe beworben – sie haben mich nicht genommen, vielleicht auch, weil in dem Gespräch das Thema dummer Weise auf meine schriftstellerischen Ambitionen kam und mein Gegenüber tatsächlich der erste Mensch war, der sofort meinte, dass ich das versuchen sollte, wenn es das ist, was ich will. Er hat mir dann von einem Freund erzählt, der Drehbücher schreibt und davon gut verdient. Sowas fände ich auch ziemlich cool. Serien, die immer weitergehen … ja, dass hätte was für sich. Aber ich wüsste nicht, wie ich an so einen Job ran kommen sollte.
Ich erwähnte es vielleicht schon, aber ich bin nicht sonderlich gut darin, mich selbst zu verkaufen. Tja, ich denke, dass reicht für heute. Soviel dazu, man liest sich ;)